Die Ein-Euro-Jobber sind unter uns. Sie werkeln dort herum,
wo man sie auch erwarten würde: auf Recyclinghöfen, in Stadtparks,
Krankenhäusern und Altenpflegeheimen. Dabei führen sie Tätigkeiten aus, die im
Prinzip als gemeinnützig angesehen werden. Man trifft sie aber auch dort an, wo
sie niemand erwarten würde: im gastronomischen Bereich, in privaten
Handwerksbetrieben, als Praktikanten im Einzelhandel, in der Medien-Branche
oder beim Frisör um die Ecke. Und sie leisten mitunter richtig gute Arbeit. Die
jedoch nicht von den öffentlichen Einrichtungen selbst, nach Angestelltentarif,
oder von den sie beschäftigenden Unternehmen entlohnt wird, sondern von der Allgemeinheit,
dem Steuerzahler. Aus Sicht des Arbeitgebers wird so aus dem Ein-Euro- ein
Null-Euro-Jobber.
Schätzungsweise 300.000 dürften von ihnen bundesweit
beschäftigt sein. Der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hatte
ursprünglich angepeilt, langfristig bis zu 600.000 dieser Billig-Stellen
einzurichten.
Aktiv wird diese „Gratis-Konkurrenz“ vor allem in den
Bereichen, in denen Personal abgebaut worden ist – und nach wie vor abgebaut
wird. So Eva-Maria Thoms in einem sehr erhellenden Artikel in der ZEIT
vom 1. Juni 2006, auf den sich diese Ausführungen hier zum Teil beziehen.
Zur Schaffung von Ein-Euro-Jobs gibt es eigentlich klare
gesetzliche Richtlinien. Diese „Arbeitsgelegenheiten mit
Mehraufwandsentschädigung“, wie die Aktiv-Jobs treffend bezeichnet werden,
sollen im öffentlichen Interesse sein und den Förderungsbedürfnissen des
Arbeitssuchenden gerecht werden. Sie müssen zusätzlich geschaffen werden,
dürfen folglich nicht zur Arbeitsentlastung der regulär Beschäftigten beitragen
oder gar deren Stellen gefährden. Und sie müssen wettbewerbsneutral sein; das
heißt, sie dürfen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zum
privatwirtschaftlichen Leistungsangebot stehen.
Vor kurzem rügte der Bundesrechnungshof die Vergabepraxis
von Ein-Euro-Jobs aufs Schärfste. Ein Viertel aller Ein-Euro-Jobs verstoße
schlichtweg gegen die gesetzlichen Bestimmungen. Darüber hinaus wird moniert,
dass die für die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen zuständigen
Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagentur, kurz ARGEs, häufig gar
nicht wissen, was ihre „Kunden“ in diesen Arbeitsgelegenheiten genau machen.
Bei 50 Prozent der vom Bundesrechnungshof untersuchten ARGEs herrschte
diesbezüglich völlige Ahnungslosigkeit. In Hamburg zum Beispiel treten viele
ALG-II-Bezieher ihren Aktiv-Job bei Beschäftigungsgesellschaften,
Bildungsunternehmen oder beruflichen Stiftungen an, die sich dann um ihre
Beschäftigung, Weiterbildung und eventuelle Eingliederung kümmern (durch
Praktika in der Privatwirtschaft oder Weitervermittlung an Zeitarbeitsfirmen).
Damit ist die Zuständigkeit für die Langzeitarbeitslosen erst einmal bis zu
zehn Monaten von der ARGE an den jeweiligen Beschäftigungsträger abgegeben. Und
um so besser noch: In diesem Zeitraum gelten sie offiziell nicht mehr als
arbeitslos. Aus den Augen, aus dem Sinn – denkt man sich wohl in den ARGEs.
Kontrollen, ob die Ein-Euro-Jobber nicht etwa die Aufgaben normaler
Arbeitnehmer erledigen, unterbleiben da lieber gleich. So ist es denn auch
nicht weiter verwunderlich, dass der Bundesrechnungshof bei 75 Prozent der
untersuchten Fälle ein Kontrollversagen staatlicherseits festgestellt hat.
Seit letzter Woche stehen die Ein-Euro-Jobs nun auch als
arbeitsmarktpolitisches Instrument in der Kritik. Einer von der Hamburger
Wirtschaftsbehörde in Auftrag gegebenen Studie zufolge findet nur jeder fünfte
Ein-Euro-Jobber dauerhaft Arbeit, berichtet die WELT. Die Gesamtkosten
für diese Beschäftigungsmaßnahmen beliefen sich letztes Jahr allein in der
Hansestadt auf gut 62,5 Millionen Euro. Für die Integration eines einzelnen
Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt würden im Schnitt 20.000 Euro
aufgebracht. In der MORGENPOST wird sogar von Vermittlungskosten von bis
zu 34.000 pro Person gesprochen. Der DGB bezweifelt die Höhe der
Vermittlungsquote. Sie sei „utopisch und falsch“, ließ Hamburgs
DGB-Versitzender Erhard Pumm verlauten.„In Wahrheit wird höchstens jeder Zehnte
in tatsächliche Arbeit vermittelt. Der Rest darf Praktika machen“, lautet sein
nüchternes Fazit.
Nicht nur die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Aktiv-Jobbern
ließe sich problematisieren. Mehr als berechtigt scheint auch die Frage, wie
effektiv Ein-Euro-Jobs sind. Helfen sie wirklich, Langzeitarbeitslose wieder an
den ersten Arbeitsmark heranzuführen? Oder sollen die Betroffenen einfach nur
beschäftigt werden, ganz gleich ob sie sich dadurch langfristig für reguläre
Arbeitplätze qualifizieren oder nicht?
Ursprünglich sollten die Ein-Euro-Jobs das nachrangigste
Eingliederungsinstrument sein. In Hamburg, kritisiert Pumm, würden sie fast
ausschließlich eingesetzt. Die Arbeitslosen würden ihnen pauschal zugewiesen.
Passgenau Qualifizierung unterbleibe hingegen.
Mal ehrlich: Durch die massive Vermehrung dieser
Arbeitsgelegenheiten konterkariert sich die Beschäftigungspolitik doch im Grunde
selbst. Sie schafft Null-Euro-Jobs auf dem Arbeitsmarkt und vernichtet dadurch
reguläre Stellen im Niedriglohnsektor. Die Entlassenen könnten dann ein Jahr
später wieder als Ein-Euro-Jobber eingestellt werden. Das Prinzip des Fördern
und Forderns, das Hartz IV zugrunde liegt, treibt hier seltsame Blüten.
Wer hält denn Ein-Euro-Jobs überhaupt noch für eine geeignete Maßnahme,
Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen? Einige der Betroffenen
selbst vielleicht, die sich über den bescheidenen Verdienst von maximal 150
Euro freuen (vormals 210 Euro). Möglicherweise freuen sich einige unter ihnen
aber auch einfach nur darüber, dass sie nicht mehr gelangweilt zu Hause
rumhocken müssen. Andere mögen in diesen Jobs lediglich Zwang und Schikane erkennen.
Wie auch immer. Ihr Sinn kann zumindest mit gutem Grund in Zweifel gezogen
werden.