Zune ist Microsofts Antwort auf Apples i-Pod. Das Geraet wurde gemeinsam mit Toshiba entwickelt und Anfang letzter Woche der Oeffentlichkeit vorgestellt. Wie jedoch der Markt davon ueberzeugt werden soll, dieses Produkt anzunehmen war bislang unklar; sind doch die technischen Daten (30 GByte Speicher, 3-Zoll-Display mit 320×240 Bildpunkten, WLAN und FM-Tuner) fuer dieses etwa 300 US$ teure Produkt nicht wirklich aufregend. Bei etwa 75% Marktanteil, die Apples i-Pod derzeit (nach hauseigenen Angaben von Apple selbst) hat, steht dem Unternehmen aus Redmond also noch ein langer Weg bevor, bis man vom Markt einige groessere Haeppchen fuer sich beanspruchen kann, denn Apple hat ebenfalls erst vor kurzem eine neue i-Pod-nano Serie vorgestellt die fuer 280 US$ die gleiche Speicherkapazitaet bietet und fuer einen Hunderter extra sogar 80 GByte an Musik oder Videos speichern koennen. Daher lohnt sich ein differenzierterer Blick auf das Geraet.
Wer sich auf dem Weg zur und von der Arbeit gerne mit aktuellen Nachrichten versorgen laesst, kann dem integrierten Radio sicherlich einen nicht geringen Nutzen abgewinnen. Die WLAN-Schnittstelle als solche wird den Kabelsalat rund um den heimischen Rechner wohl kaum der Vergangenheit angehoeren lassen, da hier bei den meisten Nutzern digitaler Gadgets (Video, Photo, externe Platten, GPS-Devices etc.) das Chaos schon laengst seinen angestammten Platz auf dem Schreibtisch gefunden hat. Aber immerhin, es ist ein erster Schritt zur Eindaemmung – wenn auch seit Jahren MP3-Player existieren, die direkt und ohne Kabel in den USB-Port gesteckt werden koennen (und darueber hinaus nur einen Bruchteil kosten).
Zune kommt mit vorinstallierter Musik.
Wie bitte? Ja, Zune bringt von Haus aus Musik diverser Labels mit. Die meisten dieser Namen habe ich zugegebenermassen noch nie gehoert, was meine Zweifel an der mentalen Gesundheit der fuer das Marketing zustaendigen Manager unterstreicht; denn woher will man in Redmond wissen, welche Musik ich gerne hoere? Schaetze, das ist das letzte Kriterium, das fuer die Kaufentscheidung ausschlaggebend sein wird, denn der frischgebackene Besitzer eines Zune will wohl eher die WLAN-Faehigkeiten dieses Geraets nutzen um Bilder, Videos oder Musik nach eigenem Gusto einzuspielen. Und hier hat man sich wirklich etwas Tolles einfallen lassen: Man kann mit anderen Besitzern eines Zune per WLAN die Inhalte von einem Geraet auf das andere ueberspielen, ohne dass man hierfuer einen Computer benoetigt. Das trifft sicherlich den Nerv der Zielgruppe, die gerne morgens im Zug auf dem Weg in die Schule die neuesten Hits oder Bilder tauscht.
Okay, das ist nun mal tatsaechlich ein Alleinstellungsmerkmal zu dem es meines Wissens (ohne Laptop) noch nicht einmal eine ernstzunehmende kabelgebundene Alternative gibt. Wo also ist der Haken? Im DRM – dem Digital Rights Management System!
DRM soll verhindern, dass urheberrechtlich geschuetzte Inhalte von Unbefugten weitergegeben werden, ohne dass die Rechteinhaber verguetet werden. Das ist zunaechst eine Sache, die vernuenftig klingt und an der nichts auszusetzen ist. Auch Windows Vista soll mit erweiterten DRM-Funktionen daherkommen und die Hardware- und BIOS-Hersteller stellen sich ebenfalls (auch aus anderen Gruenden) darauf ein, bestimmte Standards zu unterstuetzen, die Urheberrechtsvergehen oder den unbefugten Missbrauch von Daten verhindern sollen (Palladium/TCPA).
Im besonderen Fall des Zune schiesst Microsoft jedoch ein deutliches Stueck ueber das Ziel hinaus. Denn wer von einem Freund mit einem Musikstueck beglueckt wird, das via WLAN auf den eigenen Zune-Player ueberspielt wurde, wird nicht lange Freude daran haben. Der Song wird sozusagen in eine DRM-Schicht gewickelt, die es lediglich erlaubt, den Titel drei Mal abzuspielen – und auch das nur innerhalb der ersten drei Tage nach der Uebertragung.
So weit so gut. Auch hierzu koennte man noch die Meinung vertreten, dass es gelungen ist, dem Recht auf Privatkopie einerseits und dem Urheberschutz andererseits Rechnung zu tragen.
Aber auch selbst erstellte Musikstuecke oder urheberrechtsfreie Songs werden zwangsweise mit einem DRM-Wrapper versehen und somit fuer den Freundeskreis in der Benutzung stark eingeschraenkt. Stark eingeschraenkt wird hierdurch IMHO aber auch das Potential dieser WLAN-Schnittstelle, die nicht zur Verbreitung freier Inhalte taugt und dem Erstarken unabhaengiger Labels, die gerade NICHT auf DRM setzen, sondern auf die freie Verbreitung ihrer Produktionen angewiesen sind, keine Rechnung traegt.
Der PC hat sich durchgesetzt weil er a) eine breite Palette von Software den Anwendern zur Verfuegung stellte, mit denen eine schier unuebersehbare Anzahl an Aufgaben erledigt werden konnte (oftmals als Share- oder Freeware); b) den Austausch von Inhalten und Informationen beschleunigt hat und c) gerade den Kunstschaffenden (wie Musikern) zusaetzliche Moeglichkeiten bereitstellte.
Profitiert hat davon ein ganzer Industriezweig und nicht zuletzt Microsoft selbst.
Die Anwender haben auf der anderen Seite ebenfalls einen immer groesseren Nutzen aus der Interoperabilitaet gezogen und digitale Musik, Bilder und Texte selbst produziert. Nun aber ist der kreative Anwender nicht mehr Herr ueber seine Werke, oder besser Daten (denn zu diesen wird jedes digitale Kunstwerk mittlerweile degradiert). Nun wird dem Kunstschaffenden – nachdem er sich an die Arbeit mit dem Computer gewoehnt hat – eine digitale Fessel uebergestuelpt, der er sich immer weniger entziehen kann.
Man moege mich nicht falsch verstehen, nichts gegen Zune – es wird sicherlich einen Markt (und auch Kaeufer fuer dieses Produkt) geben; allerdings ist das Merkmal 'richtungsweisend' bezueglich dieses Produkts ein Hinweis auf eine Zukunft, die uns zum unmuendigen Abonnenten kaeuflicher Kulturgueter macht und Kunst abseits vom Mainstream verhindert.
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-m*sh-
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