Broken-Heart-Syndrom

Und weil
das Leben also auch den Tod umfasst, will ich auch diesen nicht
auslassen. Klar, es ist Sommer, und das letzte, woran ich denke, ist,
sich das Leben zu nehmen. Aber wir leben hier schließlich in
dieser Großstadt, und ich erlebe schon zum zweiten Mal in einer
Woche eine Durchsage vom Zugführer der Regionalbahn, dass es
zwischen hier und dort mal wieder einen Personenschaden gegeben hat.
Was das
bedeutet ist klar. Entweder haben Kinder auf den Gleisen fangen
gespielt, oder ein des Lebens müder Mensch hat sich vor die Bahn
geworfen. Und unsensibel wie ich bin, kann ich erstmal überhaupt
nicht verstehen, warum ausgerechnet gerade vor „meine“ Bahn?
Doch
dann beginne ich, während ich auf dem Bahnsteig sitzend auf die
Überbrückungs-S-Bahn warte, über Berlin und den Tod
nachzudenken. Gibt es da einen Zusammenhang?
Macht
die Großstadt vielleicht depressiv, und ist der Wind, der hier
durch die Straßen fegt, für manch zart Besaiteten einfach
zu viel? Oder bringen sich auf dem Land genau so viele Menschen um
und schlucken in Ermangelung vorhandener Bahnstrecken Gift oder
nehmen sich nen Strick?

Als ich
dann nach stundenlanger Odyssee schließlich und endlich zu
Hause bin, mich schuldig fühlend wegen meiner egoistischen
Denkweise, schaue ich auch gleich im Netz nach.
Also,
zwischen der Geburt und dem 25. Lebensjahr ereignen sich laut
Statistik die meisten Suizidversuche und Suizide. Na, aus dem Alter
bin ich ja Gott sei Dank fast schon raus.
Jedes
Jahr bringen sich so eine halbe Millionen Menschen um auf der Welt,
laut WHO.

Auf
Berlin entfallen dabei, seit Jahren circa 400 Menschen, die sich das
Leben nehmen. Also gerade mal 0,01 % der Gesamtbevölkerung, was
nicht sehr viel ist, wie mir scheint vor allem, wenn man bedenkt,
dass 1970 im damaligen Westberlin noch knapp 1000 Menschen den
Freitod wählten.
Aha.
Folglich ist es nicht unbedingt die Großstadt, die die Menschen
in den selbstgewählten Tod treibt. Vielmehr sind es andere
Dinge, die einem aufs Gemüt schlagen, die dafür
verantwortlich sind. Eingemauert sein zum Beispiel. Gut, dass das
vorbei ist.
Was aber
mache ich jetzt mit den Personenschäden?
In
Zukunft einfach nachsichtig sein und geduldig auf den Anschlusszug
warten.

Und
hoffen, dass der Zugführer sich nur am heißen Kaffee
verbrüht hat und der Zug deshalb nicht weiter fahren kann.

Eine Meinung

  1. Vielleicht gibt es zwischen großstädtischer Depression und „sich häufig gestresst fühlen“ einen Kausalzusammenhang oder zumindest eine Korrelation? Denn gestresst fühlen sich die Berliner, das ist href=“http://www.hauptstadtblog.de/article/2100/berliner-fuehlen-sich-gestresst“ target=“_blank“>erwiesen.r

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