Freudscher Versprecher: Was das Unbewusste über uns verrät

In bestimmten Situationen, gerade unter Stress, aber auch bei schlichter Unachtsamkeit, zeigt sich die Unbestechlichkeit des Unbewussten, das keine Lüge kennt. Wenn beim unfreiwilligen Versprechen das eigentlich Gemeinte versehentlich zum Vorschwein tritt, handelt es sich um einen Freudschen Versprecher. Wie es zu solchen Fehlleistungen kommt, werden Sie hier nie erfahren. Äh. Erfahren. Wenn Sie weiterlesen…

Freudscher Freisprecher / Freudscher Verschreiber

Als ich mich gestern kurz vor Feierabend an diesen Blogtext setzte, wollten meine Finger unwillkürlich tippen: „Heute berichte ich Ihnen über den so genannten Freudschen Freisprecher“. Der Text war schon in groben Zügen angelegt, als mich der Feierabend in die Unterbrechung zwang. Heute morgen nun öffne ich den angefangenen Artikel, lese meinen schreiberischen Faux-pas und muss schallend lachen: Natürlich nämlich sollte es keineswegs „Freudscher Freisprecher“ heißen, sondern – natürlich: Freudscher Versprecher. In meiner hübschen Verfehlung aber liegt nun schon fast die ganze Wahrheit über jenen linguistischen Lapsus, für den der Psychoanalytiker Sigmund Freud so viel übrig hatte, dass er ihm, zumindest im weiteren Sinne, ein halbes Lebenswerk widmete. Laut Freud waren es immerhin nicht nur die Kinder und Betrunkenen, sondern auch die Verhaspler, die eine befreiende Schwäche für Wahrheiten hatten…

Aus der Reihe: Was ich eigentlich sagen wollte / Bittere Wahrheiten

Kommt Ihnen das bekannt vor? Da blitzt im Gespräch mit dem Gegenüber ein plötzlicher Gedanke auf und fällt binnen Bruchteilen von Sekunden der Selbstzensur zum Opfer. Aus welchen Gründen auch immer, ob politisch semikorrekt, latent pervers und/oder anderweitig sozial unpassend: Aus der Alltagskommunikation kennt wohl jeder solche mehrgleisigen Denkspuren, wo ein unwillkürlicher Gedanke blitzschnell weggeschoben wird. Oft geschieht solches Kopfkino noch nicht einmal wirklich bewusst. Wenn jetzt ein Freudscher Versprecher in's Spiel kommt, wird es spannend. Zumindest für die anderen.

Freudscher Versprecher: Definition und Hintergründe

Während einer Freudschen Fehlleistung bricht das Unbewusste sich jäh Bahn. Eigentlich sollte ein bestimmter Gedanke gar nicht geäußert und also unterdrückt werden; plötzlich aber verschafft er sich über einen Verhaspler eben doch die entsprechende Entäußerung. So zumindest hat Sigmund Freud den Lapsus Linguae verstanden, als er sich am Anfang des Zwanzigsten Jahrhundert in seiner „Psychopathologie des Alltagslebens“ mit dem Phänomen sprachlicher Fehlleistungen auseinandersetzte. Er betrachtete diese sprachlichen Lapsi als unwillkürliche Entäußerungen des Unbewussten. (Ent-)Äußerungen quasi, die in erster Linie eine Aussage über die tieferen Emotionen und Einstellungen ihres Sprechers treffen. Inzwischen ist die Wissenschaftlichkeit von Freuds psychoanalytischen Thesen zum verbalen Verhaspler jedoch umstritten. In der Kriminologie etwa sind solche Freudschen Versprecher im Rahmen von Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsgutachten heute nicht mehr anerkannt. Doch selbst wenn Freuds Thesen zum Lapsus Lingue inzwischen teilweise widerlegt und so längst nicht mehr haltbar sind, (ver-)sprechen viele Verhaspler in Bezug auf ihren Enthüllungscharakter mitunter eine, tja, andere Wahrheit.

Berühmte Freudsche Versprecher

Dass gerade öffentliche verbale Lapsi sehr verräterisch sein können, zeigt Wolfgang Schäuble's berühmter Versprecher zur „Eröffnung ganz neuer Medien-Kontrolle-äh-Kanäle“ genau so wie der berühmte Gutenberg-Lapsus linguae, wenn es mal wieder stotternd heißt: „Dieses Plagiat ist keine Dissertation.“

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