Aktuelle Zahlen der Landeskriminalämter bringen es an den Tag: Die Zahl an Straftaten gegen Partner, Ex-Partner und Familienangehörige hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Die Dunkelziffer dürfte dabei noch wesentlich höher ausfallen.
Anstieg von sieben Prozent
Recherchen der Tageszeitung DIE WELT bei den Innenministerien und Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer kommen zu dem Schluss, dass es im Jahr 2023 zu immer mehr Fällen an häuslicher Gewalt gekommen ist. Bundesweit wurden über 255.000 Opfer der Polizei bekannt. Gegenüber dem Jahr 2022 ist das ein Plus von sieben Prozent.
Laut den Angaben sind etwa zwei Drittel der betroffenen Personen Frauen. Experten rechnen darüber hinaus mit einer hohen Dunkelziffer, denn viele der Opfer trauen sich nicht, Hilfe bei der Polizei zu suchen und Anzeige zu erstatten.
Häusliche Gewalt im Überblick
Gewalttaten mit familiärem oder partnerschaftlichen Bezug sind ein ernstzunehmendes Problem in Deutschland, das alle gesellschaftlichen Schichten betrifft. Sie umfasst physische, psychische, sexuelle und ökonomische Gewalt innerhalb von familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen. Diese Art von Gewalt ist oft verborgen, da sie im privaten Raum stattfindet und die Opfer aus Scham oder Angst davor zurückschrecken, Hilfe zu suchen.
Ausmaß und Statistiken
Die Statistiken zur häuslichen Gewalt in Deutschland sind alarmierend. Laut dem Bundeskriminalamt (BKA) wurden bereits im Jahr 2020 über 146.000 Fälle von Partnerschaftsgewalt registriert. Dabei sind Frauen überproportional häufig betroffen: Rund 81 Prozent der Opfer sind weiblich. Allerdings zeigen diese Zahlen nur die gemeldeten Fälle und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Ursachen und Hintergründe
Die Ursachen für häusliche Gewalt sind vielfältig und komplex. Oft spielen Macht- und Kontrollbedürfnisse eine zentrale Rolle. Gesellschaftliche Normen und Geschlechterrollen tragen ebenfalls dazu bei, dass Gewalt in Partnerschaften auftritt. Ökonomische Abhängigkeit, psychische Erkrankungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie eigene Gewalterfahrungen in der Kindheit können ebenfalls Faktoren sein, die das Risiko für Gewalt erhöhen.
Formen der häuslichen Gewalt
Physische Gewalt: Hierzu gehören Schläge, Tritte, Würgen und andere körperliche Übergriffe. Diese Form der Gewalt ist am sichtbarsten und oft auch die, bei der Opfer am ehesten Hilfe suchen.
Psychische Gewalt: Diese umfasst Demütigungen, Beleidigungen, Drohungen und das systematische Erniedrigen des Opfers. Psychische Gewalt kann ebenso verheerende Auswirkungen haben wie physische Gewalt und führt häufig zu schwerwiegenden psychischen Problemen bei den Betroffenen.
Sexuelle Gewalt: Vergewaltigung und sexuelle Nötigung innerhalb der Partnerschaft sind Formen sexueller Gewalt. Diese Art von Gewalt ist besonders schwerwiegend, da sie das intime Vertrauen zwischen den Partnern massiv zerstört.
Ökonomische Gewalt: Dies umfasst die Kontrolle über das Einkommen des Partners, das Vorenthalten von Geld oder die Verweigerung der Erlaubnis, arbeiten zu gehen. Ökonomische Abhängigkeit macht es den Opfern oft schwer, sich aus der gewaltvollen Beziehung zu befreien.
Unterstützung und Hilfsangebote
In Deutschland gibt es zahlreiche Anlaufstellen und Hilfsangebote für Opfer häuslicher Gewalt. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet rund um die Uhr anonym und kostenfrei Beratung in mehreren Sprachen an. Frauenhäuser bieten Schutz und Zuflucht, während Beratungsstellen und Therapeuten Unterstützung bei der Bewältigung der traumatischen Erlebnisse bieten.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Das deutsche Recht bietet verschiedene Schutzmöglichkeiten für Opfer häuslicher Gewalt. Das Gewaltschutzgesetz ermöglicht es, Täter aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen und Kontaktverbote zu erwirken. Zudem können Opfer durch das Opferentschädigungsgesetz finanzielle Unterstützung erhalten. Dennoch gibt es Kritik, dass der Zugang zu diesen rechtlichen Maßnahmen oft zu kompliziert und bürokratisch ist, wodurch Opfer abgeschreckt werden könnten, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Prävention und Öffentlichkeitsarbeit
Prävention spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen häusliche Gewalt. Bildungsprogramme in Schulen, Aufklärungskampagnen und Fortbildungen für Fachkräfte sollen das Bewusstsein für das Problem schärfen und Betroffene ermutigen, Hilfe zu suchen. Öffentlichkeitsarbeit ist ebenfalls wichtig, um das Thema aus der Tabuzone zu holen und gesellschaftliche Normen zu verändern, die Gewalt in Beziehungen tolerieren.
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