Warum wir das personalisierte Verhältniswahlrecht brauchen

  1. Es gibt stabile Mehrheiten. Eine Große Koalition mit 19 Stimmen über Soll kann wohl als ultrastabil angesehen werden. (Beispiel MV)
  2. Eine den Realitäten und dem Wille des Wählers angepasste Repräsentation im Parlament wird nur so ermöglicht. Sie ist wichtig für die Identifikation des Bürgers mit dem politischen System.
  3. Das Parteiensystem verwandelt sich andernfalls in ein ultrastabiles Zwei- bis Dreiparteiensystem, wodurch
  4. Veränderungen und Neuerungen am Rand belassen werden, wo sie nicht zwangsläufig hingehören. Das Thema Umweltschutz wäre ohne die Grüne in den 80er Jahren niemals bis in die Parlamente vorgedrungen.
  5. Wähler die derzeit rechtsextrem wählen, werden Nichtwähler oder verbleiben trotzdem bei diesen Parteien. Dem Demokratiedefizit dieser Leute ist damit nicht geholfen. Rechtsextreme Einstellungen werden nicht öffentlich, bis sie ein Maß erreicht haben, bei dem keine „Notbremse" mehr hilft.[1]
  6. Extreme politischer Umschwünge, die weniger das Ergebnis grundlegender Veränderungen der politischen Einstellungen der Wählerschaft sind als vielmehr Folge des Verzerrungseffekts des Wahlsystems werden verhindert. 
  7. Innerhalb der regierenden Partei wird es zwangsläufig zu einer stärkeren Heterogenität kommen, da gesellschaftliche Konflikte in den Parteien widergespiegelt werden müssen. Die Streitigkeiten verlagern sich also nur aus der Koalition in die Regierungspartei.
  8. „Schlechte" Regierungen mit hohen Stimmenverlusten, die aber knapp stärkste Partei bleiben können weiterregieren ohne die Folgen ihre bisherigen Regierungszeit vergegenwärtigen zu müssen.
  9. Die bestehende Fünf-Prozent-Sperrklausel eine Zersplitterung ohnehin verhindert und so
  10. ein stabiles aber breites Parteiensystem gewährleistet.

Photo: www.pixelquelle.de


[1] Hier empfiehlt sich ein (bitte kritischer) Blick auf die Studie von Richard Stöss zu den rechtsextremen Einstellungen der deutschen Bevölkerung.

2 Meinungen

  1. Sicher hat jedes System seine Vorzüge und auch Nachteile. Beim Mehrheitswahlrecht dienen exemplarisch immer wieder gerne die „sicheren“ Wahlkreise in GB in denen (fast) kein Wahlkampf stattfindet weil die Mehrheiten seit Jahren zu Gunsten einer Partei festliegen, so dass andere Parteien es erst gar nicht versuchen, dort einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das Verhältniswahlrecht wiederum kann zu einer Zersplitterung der politischen Landschaft führen, so dass es unter Umständen zu keiner klaren Zuordnung der Verantwortlichkeit kommt.Welches Wahlrecht „besser“ ist, hängt m.E. von der politischen Kultur eines Landes ab. Ist diese mehr auf Konsens ausgerichtet (Konsensdemokratie, NL, BRD) ist das Verhältniswahlrecht vorzuziehen. Ist die politische Kultur mehr auf Wettkampf und Konkurrenz ausgerichtet ist das Mehrheitswahlrecht besser (USA, GB). Jedes Volk sollte also selbst entscheiden wie es abstimmt, per se ein Wahlrecht dem anderen vorzuziehen, halte ich für nicht möglich.

  2. Wir haben ein Problem mit der „neuen“ Parteienlandschaft. Im Parlament sind 6 Parteien mit unterschiedlicher Akzeptanz vertreten. Früher, in den guten alten Zeiten (ich habe sie nicht erlebt), gab es nur die beiden schwarzen auf der einen und die eine rote Partei auf der anderen Seite. Zwischendrin pendelte die kleine gelbe Partei und entschied über die Mehrheit, dafür wurde Sie dann mit dem Präsidentenamt belohnt. Jetzt gibt es auch noch eine grüne Partei, die nach über 20 Jahren immer noch nicht voll akzeptiert und eine dunkelrote Partei die von allen ignoriert wird.Parteien habe die notwendige Aufgabe, Meinungen zu bündeln und in Mehrheitsentscheidungen einzubringen. Nun lassen sich die Meinungen der 82 Mio. Bundesbürger nicht mehr in 3 Bündel fassen sondern in 5. In einer reifen Demokratie müsste eigentlich jede Partei mit jeder anderen eine Koalition bilden dürfen (wenn es Übereinstimmungen gibt) ohne dafür abgestraft zu werden. Wir haben nach einer Wahl nicht so viele Alternativen wie immer erzählt wird. Erst wenn die CDU ohne Vorbehalte mit der PDS (z.B. in Berlin) Koalitionsgespräche führen würde, wäre unsere Demokratie ausgereift und das bestehende Wahlsystem würde optimal genutzt.

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