Im Falle der im Alter von 76 Jahren verstorbenen Frau K. hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass „die von den Betreuern geprüfte Einwilligung der Patientin nicht nur den Behandlungs-Abbruch durch bloßes Unterlassen weiterer Ernährung, sondern auch ein aktives Tun (rechtfertigte)“.
Die betreuenden Kinder hatten den Schlauch der Magensonde getrennt, um ihre Mutter von den Schmerzen zu befreien. Das Personal bemerkte dies sofort und schaltete die Polizei ein. Die Mutter wurde in ein Krankenhaus gebracht und künstlich weiterernährt worden, bis sie zwei Wochen später eines natürlichen Todes starb.
Sterbehilfe Urteil des BGH
An diesem Fall entzündete sich die Debatte um Sterbehilfe in Deutschland erneut. Mit dem Sterbehilfe Urteil wurden Anwalt und Betreuer entlastet. Nach diesem Richterspruch ist passive Sterbehilfe auch dann zulässig, wenn der Patient noch nicht kurz vor dem Tod steht.
Der Bundesgerichtshof hat eine Unterscheidung von Tun und Unterlassen verworfen. Nunmehr werden beide Vorgehensweisen als Behandlungsabbruch bezeichnet und unterschieden wird zwischen einer Lebensbeendigung mit dem Ziel der Tötung und dem Zulassen des Sterbeprozesses unter Einwilligung der Patienten.
Die Definition der Sterbehilfe gestaltet sich in Deutschland problematisch, da sie über die Paragraphen zu Mord, Totschlag, Tod auf Verlangen und unterlassene Hilfeleistung erbracht werden muss.
Was ändert sich jetzt?
Vor dem Sterbehilfe Urteil war die Gesetzeslage ungenau geregelt, was für Ärzte wie für Patienten das Leben mit dem ohnehin sehr kontroversen Thema erschwerte. Ärzte dürfen so, wie beispielsweise Dignitas es tut, keine Beihilfe leisten. D.h. sie dürfen dem Patienten keine Medikamente zur freien Selbsttötung überreichen.
Nach dem Sterbehilfe Urteil ist klar, dass Ärzte und Betreuer in vom Patienten beschriebenen Szenarien lebensverlängernde Maßnahmen einstellen bzw. passive Sterbehilfe geben dürfen, sofern dieser es ausdrücklich wünscht und dessen Wille schriftlich niedergelegt ist. Damit hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung der Patientenverfügung gestärkt.
Ansichten zur Patientenverfügung
Über eine Patientenverfügung kann jetzt also für bestimmte Fälle geregelt werden, wie das Krankenpersonal zu handeln hat. Das soll das würdevolle Sterben im eigenen Sinne möglich machen. Eindeutig geklärt ist noch nicht, wie mit dem mutmaßlichen Willen oder Willensänderungen in Fällen umzugehen ist, in denen dieser nicht mehr festgestellt werden kann. Den Willen zu deuten, liegt dann im Verantwortungsbereich der Betreuer. Eine angefertigte Verfügung in regelmäßigen Abständen erneut zu unterzeichnen, kann in keinem Fall falsch sein.
Die katholische Kirche hat gegen das Urteil grundlegende Bedenken geäußert. Die evangelische Kirche ist lediglich dagegen, aktive Sterbehilfe zuzulassen. Den Willen des Patienten zu respektieren, sei ein Gebot – vor allem dann, wenn er schriftlich eindeutig niedergelegt wurde. Deshalb bietet die evangelische Kirche auch Vordrucke zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten an.
Allgemein ist anzunehmen, dass der Trend in der Bevölkerung zu einer Liberalisierung der Sterbehilfe geht. Der Bundesgerichtshof hat, so scheint es, dem Willen des Volkes entsprochen.