Ich will hier nicht grundsätzlich gegen den Gebrauch von Schimpf- und Kraftwörtern agitieren, wir alle sollten uns aber – ganz abgesehen von möglichen juristischen Konsequenzen – darüber im Klaren sein, dass eine Invektive kein Argument ersetzen kann. Gegen den Satz ‚Die Steuern sollten herabgesetzt werden‘ beweist die Antwort ‚Ar…ch!‘ nun mal gar nichts. Deshalb erscheint der Schimpfende auch regelhaft als der Schwächere. Nur, wer sich ins Unrecht setzen will, greift daher in den Kübel mit den Beleidigungen.
Es sei denn … es sei denn, wir können gut schimpfen. Denn auch das Beleidigen ist eine Kunst: Polemiker und Pasquillanten genossen in der Renaissance beispielsweise hohes Ansehen, ein Fürst engagierte den einen Texter, um gegen den des anderen Fürsten vom Leder zu ziehen. Manchmal rückten nach einem besonders erfolgreichen Text sogar die Armeen aus. Eine noch frühere Form der gezielten Beleidigung wäre Dantes ‚Göttliche Komödie‘, wo der Spaß gerade darin besteht, jedem, der dem Dichter irgendwann einmal im Wege stand, literarisch alle Höllenqualen an den Hals zu hexen.
Gute Pasquillanten gibt es auch in der Blogosphäre. Über ein schier unerschöpfliches Reservoir an kreativ gestalteten Anwürfen verfügt beispielsweise der Rainer aus dem schönen Düsseldorf , der sehr frei von der Leber weg zu sprechen versteht. Auch die galoppierende Invektitis des Don Alphonso ist bekannt, wenn er überLieblingsthemen wie die ‚Johurnaille‘ oder die Sippe der Himbeertonis vom Leder zieht. Oder wenn er über ‚Figuren‘ schimpft, "die ihre Beckenpinkeleien und anderes Pausenclowntum auf Blogsoftware im Internet verbreiten". Was ihm in Blogville den Ehrentitel ‚Motzblogger‘ eintrug, wozu einige Schlips-und-Kragen-Blogger dann stets pikiert das Näschen rümpfen.
Mit dagegen gefällt eher die ‚ungreifbare Beleidigung‘: Der Kontrahent fühlt sich getroffen, weiß aber nicht so recht zur Erwiderung anzusetzen, weil er keinen Gegner sieht. Halbdunkle Bilder, Ironie, uneigentliche Aussagen, Beim-Wort-Nehmen helfen mir dabei. Würde mir also jemand bspw. vorwerfen, dass ich ein Nazi sei – was hier im Wilden Westen des WäpptuhOuh ja durchaus mal vorkommen kann – dann würde ich ihm vielleicht antworten: "Seit wann erkennen Sie die Farbe braun, dort im Stockdunklen, wo Sie sitzen? Riechen Sie etwa was?" Kein sonderlich dolles Beispiel, ich weiß, es war nur das erste Reh, das auf die Lichtung trat, doch die Frage am Schluss zwingt ihm schon mein Spiel auf. Antwortet er jetzt mit ja – bestätigt er den peristaltischen Ort, an dem ich ihn platziert habe. Antwortet er nein, wird seine Behauptung desavouiert. Trotzdem bliebe als Maximalbeleidigung meinerseits nur die harmlose Behauptung, dass er ‚im Dunkeln sitzt‘, woraus kein Rechtsanwalt dieser Welt etwas Justiziables drechselt, obwohl ich ihn doch faktisch im Gegenzug einen ‚Ar…kriecher‘ genannt habe.
Kurzum: Beleidigungen sind im Saloon von Bloghausen manchmal unumgänglich, sie sind aber nichts, was wir im Affekt herausschleudern sollten. Luft machen können wir uns auf viele Arten: mit vergiftetem Lob, mit bewusstem Missverstehen, Von-oben-herab-Trösten, unerwünschten Ratschlägen und anderen Gemeinheiten und Schikanen mehr. Unser Gegenüber wird – wie erwünscht – fuchsteufelswild, und er kann doch nichts machen. Verbal geht es dann zu wie bei Muhammad Ali: ‚You dance like a butterfly and sting like a bee‚.
Es sei denn, der Gegner wäre uns beim Beleidigen über …
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Warum soll es hier nicht wie im richtigen Leben zugehen?Aber es ist schon richtig, übertreiben sollte man es mit der “ Gewöhnlichkeit “ nicht.