Das Landgericht Stuttgart hat einen Versandhändler, der Anti-Nazi-Logos verkauft hatte, wegen der Verbreitung von verfassungswidrigen Symbolen zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt.
T-Shirts etc, die ein Hakenkreuz auf einem Halteverbotsschild zeigen, seien verfassungsfeindliche Symbole. Ebenso wie Hakenkreuze, die von einer Faust zerschlagen werden.
Was für ein hahnebüchener Unfug! Ich habe noch nie einen Neonazi gesehen, der mit Stolz geschwellter Brust ein durchgestrichenes Hakenkreuz auf seinem T-Shirt spazieren führte.
You missed the point, Herr Häussler! Ebenso sprang der Spruchkörper mit seiner Entscheidung, die ans Absurde grenzt, ins juristische Aus.
Was besagen die Paragraphen 86 und 86 a des Strafgesetzbuches? Lesen der Normen trägt in den meisten Fällen zur Rechtsfindung bei:
"§ 86
Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
(1) Wer Propagandamittel
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
(4) …"
Das durchgestrichene Hakenkreuz ist kein Propagandamittel einer rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Vereinigung. Folglich kann seine Verwendung nicht den Tatbestand des § 86 StGB erfüllen.
"§ 86a
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder
2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum verwechseln ähnlich sind.
(3) …"
Was will § 86 a StGB bezwecken? Hierzu gibt es relative Einigkeit zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung:
Die Vorschrift richtet sich zunächst gegen eine Wiederbelebung der verfassungswidrigen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, daß verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden (vgl. BGHSt 25, 30, 33; 31, 383, 387; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 86 a Rdn. 1). Die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation begründet die Gefahr einer solchen Wiederbelebung, weil in ihr ein werbendes Bekenntnis zu der Organisation und deren verfassungsfeindlichen Zielen unabhängig davon liegt, ob es einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat.
Und was sagt das Bundesverfassungsgericht? Noch nichts. Nur in einem Beschluss über die Zurückweisung einer Verfassungsbeschwerde eines Besoffenen, der Polizisten mit dem Hitler-Gruß beleidigt hatte, ließ es anklingen, wohin die Reise geht, wenn Karlsruhe demnächst zu entscheiden hat:
BVerfG, 1 BvR 204/03 vom 23.3.2006, Absatz-Nr. (1 – 26):
„Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass die Norm darauf zielt, derartige Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland zu verbannen (vgl. BGHSt 25, 30 <33>; 28, 394 <396 f.>). Dadurch soll auch einer Normalisierung der Verwendung solcher Kennzeichen entgegengewirkt werden (vgl. BGHSt 28, 394 <397>). Allerdings pflegen die Gerichte den besonderen Anforderungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit dadurch Rechnung zu tragen, dass sie Ausnahmen von der Strafbarkeit für geboten halten, sofern das inkriminierte Verhalten trotz äußerer Verwendung der Kennzeichen dem Schutzzweck des Gesetzes erkennbar nicht zuwiderläuft (vgl. BGHSt 25, 30 <32 f.>; 25, 133 <136 f.>; OLG Stuttgart, MDR 1982, S. 246; OLG Oldenburg, NJW 1986, S. 1275).
So liegt es, wenn das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zwecke einer Kritik der verbotenen Organisation eingesetzt wird oder der Kontext der Verwendung ergibt, dass eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung ausscheidet (vgl. BGHSt 25, 133 <136>). Das mag etwa der Fall sein, wenn das Kennzeichen in erkennbar verzerrter, etwa parodistischer oder karikaturhafter Weise verwendet wird (vgl. BGHSt 25, 128 <130>). Die Tabuisierungsfunktion des Gesetzes (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., 2006, § 86 a, Rn. 2 a) soll nach der Normauslegung der Gerichte aber nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Verwendung derartiger Symbolik allein deshalb grundsätzlich zulässig ist, weil sie in kritischer Absicht erfolgt. Diese Rechtsprechung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden."
Wenn sich das Hakenkreuz in einem Verbotsschild mit quietschrotem Balken über dem schwarzen Leib wiederfindet, dann ist das eine erlaubte, ja in diesen Zeiten des Einzugs der NPD in Landesparlamente, willkommene Meinungsäußerung.
Spätestens das Bundesverfassungsgericht wird die Entscheidung des Landgerichts Stuttgarts kassieren. Und womit? Mit RECHT.
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