Bei der dritthäufigsten Wortart nach Substantiven und Verben, die das Deutsche kennt, weiß auch ich nie genau, in welche Richtung das Kind sich durch die verpönte Adjektivitis entwickeln wird. In der Hand des Könners macht das Adjektiv den Satz zur Kunst, in der Hand des Stümpers bewirkt es oft den lächerlichsten Kitsch.
Man achte hier zunächst auf einen Meister des wohltemperierten Beiworts: «Hinter geschachtelten, oft in der Sonne einzelweis vorleuchtenden Häuserblocks liegt eine bunte und dunstige Tiefe: dort flieht die Ebene, nach Ungarn zu» (Heimito von Doderer: Die Dämonen, 8). Die Doppelung der adjektivischen Sünde zu «bunt und dunstig» führt uns hier die glasige Weite der niederösterreichischen Landschaft erst plastisch vor Augen. Und jeder Dilettant hätte hier die «weite» Ebene nach Ungarn «sich erstrecken» lassen, weil's ihm auf der Hand lag – respektive auf der Zunge.
Es geht also um die «Floskeln», um adjektivische Unvermeidlichkeiten, zum Beispiel im Journalismus, wo jede Schlacht selbstverständlich «blutig» ist: Wir finden da den «neuen Höhepunkt», die «engsten Vertrauten», das «intimste Privatleben» (man beachte hier den kranken Superlativ), die «detaillierte Stellungnahme», den «indirekten Vorwurf», das «faire Diskussionsklima» oder die «ungeklärten Punkte». Alles Beispiele, die ich mühelos auf einer einzigen Seite meines «Weser-Kurier» aufscheuche. Floskeln sind das tägliche Brot des Journalisten.
Wie an einer Tiefkühltruhe im Supermarkt wird uns aber hierdurch kein frisches Gemüse serviert, sondern Fertigkost, sprachliche Fünf-Minuten-Terrinen, wobei ich zugunsten der Journalisten einfach annehme, dass nur die Eile den Grund für diese fehlende Eigenständigkeit im Sprachlichen bildet. Bei solchen Floskeln, bei jenen Ehen also, die ein Substantiv und ein Adjektiv unzertrennlich führen, obwohl die «große Liebe» längst erloschen ist, beginnt auf anderem Gebiet der Kitsch, der den Hass aufs Adjektiv ebenfalls nährt – womit ich natürlich die «Schmonzetten» meine, ob nun als Heftchenroman oder als Telenovela: Allgegenwärtig ist hier dann das «wahre Leben», die «echten Gefühle», die «unersättliche Leidenschaft» oder die «heißesten Küsse».
Kurzum: Es geht beim Adjektiv immer um Stil, um Persönlichkeit und um Geschmack – darum, dass wir nicht die alten Kleider anderer Leute auftragen, sondern selbst die Mode machen. Gerade am Adjektiv zeigt sich, was wir sprachlich können.
Ein weiterer Grund für die Abneigung gegen das Adjektiv liegt sicherlich in seiner Fähigkeit zur Steigerung. Werber und PR'ler haben diese Wortart durch dieses ihr Bestreben nach «wettbewerblichsten Vorteilen», also nach «reinster Waschkraft» und «höchster Kompetenz» vollends zu Tode geritten …
Rührt der adjektivische Überdruss nicht ausschliesslichstens von der extremalen Häufigkeit der exzessiven Verwendung her? Mir hat es noch nie eingeleuchtet, weshalb grundsätzlich alle Adjektive exekutionswürdig sein sollen. Das pauschale «Keine Adjektive!» finde ich als Glaubenssatz ebenso fragwürdig wie «Nur Hauptsätze!». Nun ja, vielen gelten Regeln alleine schon als Rettung … Aber vielleicht gibt es ja bald ein weiteres dringendst nötigstestes Profi-Plugin, um die unerträglichen Adjektive mit dem automatisierten Bannstrahl zu exekutieren? 😉
Statt «extremal» muss es doch «extremissimaduralste» heißen, bester Werbesprachen-Ignorant! «Ausschliesslichstens» hingegen lässt sie fast schon Jung-von-Matt-tauglich erscheinen …;-)
Ja gopf, da seh ich doch vor lauter Steigerung den Elativ nicht mehr 😉