Die "Berliner Morgenpost" berichtet heute, dass Schwarz-Rot unter dem Eindruck des Gammelfleisch-Skandals ein Gesetz vorbereitet, das den Verkauf unter Einkaufspreis untersagt.
Nun gibt es zwar schon ein solches gesetzliches Verbot. In § 20 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen steht bereits explizit drin:
"Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis anbietet, es sei denn, dies ist sachlich gerechtfertigt."
Aber wer will es dem Gesetzgeber verübeln, dass er in dem Dickicht geltender Regelungen die Übersicht verliert? Außerdem: Doppelt gemoppelt hält besser! Und welches Verbraucherherz schlägt nicht höher, wenn es hört, dass per Gesetz die Ruchlosigkeit und Ertragsgeilheit jedes skrupellosen Lebensmittelshändlers gebannt werden kann? Schwarz-Rot glaubt allerdings, dass ausschließlich der ruinöse Preiswettbewerb Grund dafür sei, dass Gammelfleisch umetikettiert und wieder in den Handel gebracht worden ist. Die kriminelle Energie, die die Spitzbuben unter den Fleischhändlern aufbringen müssen, um schlechte oder gar gesundheitsgefährdende Ware feil zu bieten, scheint aus dem Blickwinkel zu geraten.
Was für eine aberwitzige und entlarvende Logik, dass der Gesetzgeber sich nun nicht die schwarzen Schafe vorknöpft, sondern die vermeintlich "marktmächtigeren" Wettbewerber, von denen bisher jedenfalls noch nicht bekannt wurde, dass sie Gammelfleisch an den arglosen Verbraucher gebracht hätten.
Huhu, Ihr da in Berlin: Discounter sind nicht per se das Böse, das bekämpft werden muss. Sondern bekämpft werden müssen die schwarzen Schafe, die verdorbenes Gut in die Nahrungskette gelangen lassen! Ein neues oder verschärftes Gesetz lenkt im Übrigen nicht von der Feststellung ab, dass offenkundig die Lebensmittelkontrollen nicht mit der letzten Konsequenz durchgeführt worden sind. Es scheint geboten, zunächst mal die Umstände des Münchner Gammelfleisch-Skandals vollumfänglich aufzuklären, bevor man mit nacktem Finger auf angezogene Leute zeigt. Wer hat wann welche Hinweise erhalten und wie darauf reagiert? Wann schnappten die bayerischen Behörden bishin zum bayerischen Verbraucherminister Schnappauf (CSU) welche Informationen auf? Wann wurde Seehofer involviert und welche Reaktionszeit benötigte er, um die interessierte Öffentlichkeit zu informieren? Zwischen dem 25., dem Tag des Erscheinens erster Agenturmeldungen über den Skandal und dem 31. August, dem Tag, an dem Seehofer wortgewaltig, aber nicht schützend seinen Mantel über die ihm schutzbefohlenen Verbraucher warf, liegen sechs Tage, in denen noch reichlich Döner vom Spieß gekratzt wurde.
Es nervt ungemein, dass die Gesetzgebungsmaschinerie angeworfen wird, bevor man überhaupt den geltenden Rahmen bestehender Vorschriften, insbesondere schon möglicher Sanktionen ausgeschöpft hat. Es ist der bekannte Regierungsstil des Führens. Diesmal hinters Licht. Für wie blöd hält man den Bürger in Gestalt des Verbrauchers eigentlich? Die Frage stellt sich insbesondere im Lichte des Ergebnisses einer neuen Studie über das Verbraucherverhalten. Das Handelsblatt berichtete jetzt über das Ergebnis einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey:
"Umschwung in der deutschen Verbraucherlandschaft: Die Deutschen achten einer Studie zufolge wieder weniger auf den Preis und kaufen mehr Markenartikel. Offensichtlich kehrt die Wertschätzung für Leistung und Qualität zurück. (…) Die Umsätze der Markenartikelwirtschaft seien zuletzt um 3,5 Prozent auf 361 Mrd. Euro im Jahr 2005 gestiegen."
Die Verbraucher brauchen keine neuen oder verschärften Gesetze. Die Anwendung und Einhaltung der geltenden wäre schon hilfreich. Hier ist nicht die Legislative sondern die Exekutive gefordert! Ansonsten ist die Gemeinschaft der Verbraucher schlau genug, ihre Gunst zu bündeln oder zu verweigern.