Zungenpiercing stechen: Risiken, Abheilung und beim Küssen?

Beim Zungenpiercing beginnt das Risiko nicht erst beim Durchstechen, sondern schon viel früher: Im Piercingstudio selbst. Ist die Ausstattung hygienisch? Ist der Piercer gepflegt, legt er Wert auf eine hygienische Vorgehensweise beim Stechen? Ist das Studio eher „schmuddelig“? Besonders wichtig ist auch: Benutzt er Einmalbesteck oder Dauerbesteck, welches desinfiziert werden muss? Dauerbesteck erfordert teure Sterilisierungsgeräte, welche sich nur die wenigsten Studios anschaffen. Achten Sie darauf. Und scheuen Sie sich nicht zu fragen! Wenn der Piercer Sie fachkundig über die Risiken und eventuellen Nebenwirkungen aufklärt, auf Reinhaltung, Pflege und gute Beratung setzt, können spätere Komplikationen schon von Anfang an geklärt werden.

Zungenpiercing stechen

In der Regel sitzt der zu Piercende auf einem Stuhl. Die Ein- und Ausstichstelle des Zungenpiercings wird markiert und mit einer Klemme fixiert, danach erfolgt das Durchstechen der Zunge mit einem peripheren Venenkatheter. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass das Piercing zwischen den beiden Zungenmuskeln in der Mitte der Zunge positioniert wird, ohne das Zungenbändchen zu verletzen und ohne, dass es die Zähne weitgehend beschädigt. In den ersten Tagen wird eine größere Schwellung auftreten, deshalb wird zunächst ein längeres Piercing in die Zunge eingesetzt, nach abklingen der Schwellung wird dieses durch ein kürzeres ausgetauscht.

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Gesundheitliche Risiken

Viele größere Blutgefäße in der Zunge machen das Zungenpiercing stechen recht kompliziert, weshalb ausdrücklich darauf hingewiesen wird, es nur von erfahrenen Piercern durchführen zu lassen.

Um das Infektionsrisiko soweit es geht zu minimieren, ist darauf zu achten, dass das umliegende Gewebe desinfiziert und gründlich gereinigt wurde, danach muss ein bis zwei Minuten gewartet werden, bis das Desinfektionsmittel wirkt – erst dann darf gestochen werden. Trotzdem kann nach dem Stechen und auch Tage später eine Infektion entstehen. Typische Symptome sind Rötung, Überwärmung des umliegenden Gewebes, Schwellung, Schmerz und eingeschränkte Funktion der Zunge. Trotzdem ist jedem geraten, besser zu früh als zu spät einen Arzt zu konsultieren, falls sich eine Infektion anbahnt und diese schwerwiegende Folgen mit sich bringt. Auch Infektionen der Augen lassen sich in einigen Fällen auf eine Infektion des Piercings zurückführen. Beim Wechseln oder Reinigen des Piercingschmucks kommen Erreger an die Hände. Bei der Berührung mit Kontaktlinsen können Sie eine Bindehautentzündung auslösen.

In seltenen Fällen können Geschmacksnerven beschädigt werden. Im Extremfall kommt es zum Verlust einer Geschmacksrichtung, meistens wird jedoch „nur“ die Intensität einer Geschmacksrichtung vermindert. Mit einem kompletten Geschmacksverlustes muss kaum gerechnet werden, da die meisten Zungenpiercings in mittig gestochen werden. Dort befinden sich nur äußerst wenig bis überhaupt keine Geschmacksnerven. Völlig ausschließen kann man aber nichts.

Ein Einzelfall: In Israel führte das Zungenpiercing eines 22-jährigen Mannes zum Tod. Bakterien waren über die Blutlaufbahn ins Gehirn gelangt und daraufhin bildeten sich 13 eitrige Gehirn-Abszesse.

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Zahnschaden durch Zungenpiercing?

Jegliche Piercings im Mundbereich bergen ein hohes langfristiges Gefahrenpotential für Zähne und Zahnhalteapparat und können zu Zahnfrakturen und Absterben des Zahnmarks führen. Die innen gelegene Konterplatte des Piercings drückt bei ungünstiger Lokalisation bei jeder Bewegung auf das Zahnfleisch und den darunter liegenden sehr dünnen Alveolarknochen, der auf Druckbelastung schwindet. Es kann zu Zahnlockerungen bis hin zum Zahnverlust kommen.
Beim Spielen mit dem Piercing, indem man es mit den Vorderzähnen festhält, kann im Laufe weniger Monate zu scheunentorähnlichen Verschiebungen der vorderen Zähne kommen, ein Klappern des Piercings an den Zähnen sollte tunlichst vermieden werden, da der Zahnschmelz stark darunter leiden kann. Mit Plastikkugeln können Zahnschäden reduziert werden.

Abheilung nach dem Stechen

Die Abheilungszeit nach dem Zungenpiercing stechen dauert 3-6 Wochen. Um Entzündungen vorzubeugen und das Einnisten von fiesen Bakterien zu vermeiden, sollte man dies auf keinen Fall essen: Eier, Milchprodukte, Scharfes oder Saures, Alkohol. Ein Verzicht auf Zigaretten ist unvermeidbar.

Zungenpiercing für Rollstuhlsteuerung

Am Georgia Institute of Technology haben Ingenieure eine an einem Zungenpiercing oder Implantat befestigte Fernsteuerung für Rollstuhlfahrer, das sogenannte „Tongue Drive System“, entwickelt. Bei Menschen mit Querschnittslähmung ist die Zunge häufig der einzig bewegliche Muskel.

Die Geschichte des Zungenpiercings

Das Durchstechen von Zungen hat eine lange Tradition und ist bei vielen Völkern als rituelle Handlungen bekannt. Diese meist im Rahmen einer Opfergabe vorgenommenen Handlungen haben jedoch nichts mit dem heutigen Tragen des Körperschmucks zu tun. Das Zungenpiercing in seiner heutigen Form kam erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts vor.

Ritus bei den Naturvölkern

Die Zunge und andere Körperteile werden bei Naturvölkern schon seit langer Zeit vorgenommen. Schon die Eroberer des amerikanischen Kontinents beschrieben im 16. Jahrhundert rituelle Handlungen, bei denen nicht nur das Gesicht, sondern auch andere Körperteile durchstochen werden. Von den Mayas ist bekannt, dass diese Zungenbohrungen, wie sie auch genannt werden, ein Zeichen für die Unterwerfung unter die herrschenden Götter waren. Einige Völker nutzten das Piercen auch, um ihre Stammeszugehörigkeit zu demonstrieren. Auch im asiatischen Raum sind diese Rituale bekannt. Im thailändischen Phuket findet seit 1825 jedes Jahr Ende September/ Anfang Oktober das sogenannte Vegetarian Fest statt, bei dem sich Teilnehmer in einem Trancezustand verschiedene Materialien durch ihren Körper stechen lassen. Durch die Trance spüren die Teilnehmer weder Angst noch Schmerzen. Ein ähnliches Fest gibt es in Malaysia zu Beginn des Jahres.

Von der Rebellion zur Salonfähigkeit

Gepierct wurde schon Mitte der 1970er Jahre und auch die ersten Piercingstudios entstanden in den USA. Das erste Zungenpiercing als Körperschmuck hielt jedoch erst Ende der 1970er Jahre Einzug in den westlichen Kulturkreis. Als erster soll Horst Heinrich Streckenbach im Jahre 1978 ein solches Piercing gesetzt haben. Eine breite Beliebtheit erlangte das Piercen vor allem in den 1990er Jahre. Zu Beginn ließen sich viele Jugendliche das Piercing stechen, um gegen das Elternhaus und das System zu rebellieren. Dafür wurden gern Schmerzen und ein wenig Angst vor Infektionen in Kauf genommen. Mittlerweile ist der Körperschmuck an Zunge und anderen Körperteilen jedoch salonfähig geworden und stört nur noch die wenigsten.

Körperschmuck, der erst einmal weh tut

Gründe, um sich ein Piercing stechen zu lassen gibt es viele. Für viele gehört ein Zungenpiercing mittlerweile ganz selbstverständlich dazu. Da es nicht auf den ersten Blick erkennbar ist und sich auch ohne sichtbare Narben zu hinterlassen wieder entfernen lässt, wird es oft als Einstiegspiercing genutzt, obwohl es in der Regel recht weh tut, sich die Zunge piercen zu lassen.

Foto: YBond – Fotolia

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