Zukunft? Das haben wir doch schon lange hinter uns!

Die Aymara sprechenden Indianer aus den Anden sehen das alles ein wenig anders. Wo wir Normalos davon sprechen, die Zukunft noch „vor uns“ zu haben und ein wenig erquickliches Erlebnis der Vergangenheit „hinter uns zu lassen“, schütteln die Indianer bei so einem weltverdreherischen Unsinn nur den Kopf und rücken das Universum gerade: was man weiß, kann man sehen, also ist das vorne, wo man etwas sieht. Also liegt die Vergangenheit vor uns. Darüber wissen wir etwas. Worüber man nichts weiß, da kann man auch nichts sehen und das liegt logischerweise hinten, wo wir keine Augen haben. Enorm.
Rein von der Argumentation her ist dagegen schwierig etwas einzuwenden. Gerade wenn wir uns die immer wieder kehrenden Versuche der Futurologen ansehen, die Zukunft zu beschreiben. Stimmt, hellsichtig ist das nicht. Man kann das durchaus hinter sich lassen.
Es ist bei den Indianern nicht nur ein sprachlicher Manierismus, sie gestikulieren auch passend. Wenn wir vorwärts in die Zukunft blicken und auch beim „Westward Ho“ da hin zeigen, gestikulieren die Indianer nach hinten, wenn sie von der Zukunft sprechen.
Nur, ist das einfach nur eine andere Sprache oder denkt man auch anders, wenn die Zeit so dargestellt wird? Probieren Sie es aus: Stellen Sie sich ein beliebiges Ereignis in der Zukunft vor. Wo stellen Sie sich das vor? Egal wo, verschieben Sie es nach hinten, hinter sich. Fühlt sich schräg an, nicht?

2 Meinungen

  1. Andreas Haderlein

    Der Blick in die Zukunft ist gewissermaßen ethno- bzw. kulturzentristisch. Genauso wie die in der westlichen Welt gehaltene Hierarchie der Sinne (Auge vor Ohr, Ohr vor Nase etc.) bei indigenen Völkern oder in der südlichen Halbkugel anders organisiert sein kann. Teilweise kommen noch weitere „Sinne“ hinzu. Aber wieso sollte man über den eigenen Tellerrand blicken, wenn’s in der eigenen Kultur-Suppe so kuschelig warm ist? Hier wären wir beim Wert des Kulturrelativismus und der Betonung des Pluralismus der Kulturen. Eine universelle Zukunftsschau wird es also nicht geben. Wir könnten allerdings von unserem hohen Ross ein wenig herabsteigen und uns andere Konzepte von Zukunft ansehen und davon lernen. Vielleicht wären wir dann glücklicher und Zukunft kein Angstbild.

  2. In meinen Augen ist der Zukunftsbegriff mit verschiedener Semantik hinterlegt. Zum einen sagt man „Denk an deine Zukunft“. Damit ist dann gemeint, dass man HEUTE so handelt, damit es später besser ist.Dann gibt es DIE Zukunft. Es ist der Gedanke an eine Utopie, ein Leitbild, einen Wunsch, eine Vision von dr Welt wie man sie gerne Sehen möchte.Den Blick in die Vergangenheit kann aber auch mit dem Begriff „Zukunft“ zusammengehen. Aus der Science Fiction kennen wir viele Sachen, die heute Real sind. Aber es fällt niemandem auf. Akkumuliert man ie Techniken und EIndrücke und schaut sich mal wieder einen alten dieser Filme an, so freut man sich über die Errungenschaften, aber es ist nicht mehr so Phantastisch, nicht mehr so mitreißend die Dinge in der Realität zu erleben. Das „Gefühl“ der Vision findet sich aber in einem solchen Film wieder. Und der wurde in der Vergangenheit gedreht. Dieser Film kann auch unsere Phantasie sein. Nur in unserem Kopf macht diese Form der „Zukunft“ Spaß. In sofern existiert die Zukunft in der Vergangenheit. Denn hat man sich ein schönes leitbild zusammengedacht, so existiert es bereits im Kopf und wartet einfach nur darauf umgesetzt zu werden. Ich finde diese Sichtweise faszinierend.

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