Wat macht et Ursel eigentlich gerade?

Durch wen der Herr neuerdings auch spricht, berichtete kürzlich RP-Online.

Eine Studie über das, was den Deutschen wichtig ist, soll dem Vernehmen nach belegen, dass trotz Rot-Grün die geistig-moralische Wende in Deutschland acht Jahre nach Helmut Kohl endlich geschafft wurde. Werte wie Ehrlichkeit, Toleranz und Hilfsbereitschaft seien für junge Menschen wichtiger denn je. Zudem stünden Familie, verlässliche Bindungen und Verantwortung hoch im Kurs, sagte Freizeitforscher Horst E. Opaschowski anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse.

Die Werte der 68er-Generation seien heutzutage "ganz nach unten gerutscht". Kritikfähigkeit und Spontanität rangierten am unteren Ende der Werteskala. Der Tanz um das Ego sei vorbei. Anstand und gutes Benehmen seien inzwischen für 61% von 2000 der Befragten besonderes wichtige Erziehungsziele.

Opaschowski und van der Leyen waren so hin und weg von dem gefundenen Ergebnis, dass sie der Presse auch gleich unter dem "Moses-Prinzip" die neuen "Zehn Gebote für das 21.Jahrhundert" vorgestellt haben:

1. Pflege im Leben intensive Familienbeziehungen und ermutigte Kinder zu dauerhaften Bindungen.

2. Knüpf dir ein verlässliches soziales Netz, damit dich Freunde und Nachbarn ein Leben lang begleiten können.

3. Hilf anderen, damit auch dir geholfen wird.

4. Genieße dein Leben, damit du ein Leben lang leistungsfähig bleibst.

5. Such die Halt- und Ruhepunkte deines Lebens und entdecke das Zeithaben wieder.

6. Werde dein eigener Lebensunternehmer und warte nicht nur auf den Anstoß und die Hilfe von anderen.

7. Verdiene dir deinen Lebensunterhalt – durch Arbeit und gute Werke.

8. Kauf nur das, was du wirklich willst und mach dein persönliches Wohlergehen zum wichtigsten Kaufkriterium.

9. Verwechsle Lebensstandard nicht mit Lebendsqualität.

10. Mach nicht alle deine Träume wahr und heb dir noch unerfüllte Wünsche auf.

So. Und diese zitierten Weisheiten aus mittelmäßigen Lebensratgebern des Zuschnitts "Mach Dir keinen Kopp, leg die Füße hoch", "Gute Vorunkel platzen. Böse werden ausgesessen." oder "Kreise um dich selbst und Du eroberst die Welt" sollen nun DIE Zehn Gebote ablösen:

1. …Du sollt keine anderen Götter haben neben mir.

2. Du sollst den Namen des Herrn … nicht missbrauchen.

3. Du sollst den Feiertag heiligen.

4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.

5. Du sollst nicht töten.

6. Du sollst nicht ehebrechen.

7. Du sollst nicht stehlen.

8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden.

9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.

Altmodischer Kram? Oder krankt die Menschheit nicht vielmehr daran, dass die zentralen Gebote Nr. 2, 5, 7 und 8 nicht mehr ernst genommen werden? Angeblich im Namen Gottes oder Allahs wird gemordet, gelogen und gebrandschatzt, lassen sich Massen in besinnungslosen Hass versetzen und Selbstmordattentäter werben.

Die Zehn Gebote sind der kleinste gemeinsame Nenner des Juden- und des Christentums. Sogar der Koran bezieht sich in Sure 17,22-39 unter dem Titel "Die Kinder Israels" (nach anderer Übersetzung: Die Nachtreise) auf den Dekalog und bestimmt:

1. Setze Allah keinen anderen Gott zur Seite…

2. Und dein Herr hat bestimmt, … dass man die Eltern gut behandeln soll.

3. Lass deinem Verwandten sein Recht zukommen, ebenso dem Bedürftigen und dem Reisenden; aber handle nicht verschwenderisch.

4. Tötet nicht eure Kinder aus Furcht vor Verarmung…

5. Nähert euch nicht der Unzucht. (andere Übersetzung: dem Ehebruch)

6. Tötet nicht den Menschen, den Gott für unantastbar erklärt hat, es sei denn bei vorliegender Berechtigung.

7. Nähert euch nicht dem Besitz des Waisenkindes, es sei denn zu seinem Besten, bis es seine Vollkraft erreicht hat.

8. Erfüllt eingegangene Verträge…und gebt volles Maß, wenn ihr messt.

9. Verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast….

10. Wandle nicht hochmütig (andere Übersetzung: unbekümmert) auf Erden umher.

Wenn das 6. koranische Gebot keinen Interpretationsspielraum bietet, sondern alle Menschen auf dieser Erdkugel für unantastbar erklärt, dann haben die großen Religionsgemeinschaften ein allgemeingültiges Grundgesetz. Da passte kein Hassprediger, kein falscher Prophet mit seinen kruden Botschaften mehr zwischen.

Wer braucht da ein "Moses-Prinzip" in der Lesart von Herrn Opaschowski und Frau von der Leyen? Welche Anmaßung und Verstiegenheit, die Zehn Gebote des 21. Jahrhundert verkünden zu wollen? Das ist peinlicher Firlefanz. Allenfalls gut gemeint, aber unterirdisch gemacht. Vorallem, wenn zuvor behauptet wird, dass der Tanz um das Ego vorbei sei, gar eine Rückbesinnung auf klassische Tugenden und Werte zu vermerken wäre. Und dann folgen die lauen, pflaumenweichen Handlungsempfehlungen eines Freizeitforschers, die allenfalls ein Wellnessprogramm für das Wohlbefinden von Wohlstandsbürgern bieten? Das 21. Jahrhundert brennt, aber nicht darauf, derlei Ergüsse als Lebensrichtschnur präsentiert zu bekommen.

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