Warum bist/bleibst Du dort?

Amerika war für mich nie das Traumland, der Ort, an den ich auswandern wollte. Ich hatte zwar Englisch in der Schule, während der Abiturjahre auch im Leistungskurs, aber weder England noch die USA, weder deren Geschichte noch Literatur übten auf mich einen anhaltenden Reiz aus. Alles, was ich wusste, eignete ich mir durch die Medien an; nichts wurde durch Reisen oder persönliche Begegnungen mit Amerikanern vertieft. Amerika lag für mich im wahrsten Sinne des Wortes hinter dem grossen Teich und damit weit weg.

Bis ich durch Zufall in meinem letzten Studienjahr einen Nebenjob als Bürokraft ergatterte, an einer Hochschule, die ein englischsprachiges MBA (Master of Business Administration) Programm anbot. Die Studenten kamen aus der ganzen Welt, es wurde nur Englisch gesprochen, die ersten Tage rannte ich mit einem kiloschweren Wörterbuch rum, bis ich mir die wichtigsten Redewendungen und Verben wieder angeeignet hatte. Der Unterricht wurde von Gastprofessoren abgehalten, die vorrangig aus den Staaten anreisten oder dort zumindest ihre Ausbildung erhalten hatten. Ich hatte nur Organisations- und Kopierarbeiten zu erledigen. Die ganze Atmosphäre dort hat mir gefallen. Jeder brachte seine Erfahrungen ein, es gab viel Teamarbeit und man fand einen gemeinsamen Nenner zunächst in der englischen Sprache. Eine Weile trug ich mich sogar mit dem Gedanken, selbst einen MBA zu machen, schien es doch ein sicherer Weg, nach dem Studium einen Job zu kriegen. In Gesprächen mit denen, die sich dafür entschieden hatten, lernte ich andere Auffassungen vom Leben kennen. So ziemlich jeder wollte im Ausland arbeiten, die USA stand als erstes auf der Wunschliste. Städte, Namen von renommierten Schulen, schwirrten den ganzen Tag um meine Ohren herum. Das erste Mal kam es mir in den Sinn, dass sowas auch für mich drin wäre (allerdings war ich dann schon an anderen, meinen Interessen näher liegenden Fachrichtungen, interessiert).

Stundenlange Recherchen im Internet bestätigten mir dann: ein Graduiertenstudium in den USA ist durchaus erschwinglich. Wenn die Uni den Bewerber nämlich akzeptiert, entsteht in vielen Fällen ein Arbeitsverhältnis. Ich sitze also in drei oder vier Kursen, dafür bin ich gleichzeitig Assistent eines Professors, korrigiere Hausaufgaben, übe mit Deutschlernern die Aussprache oder unterrichte selbst einen Kurs. Nur dass mich niemand falsch versteht: die jährlichen Kosten für die Universität fallen trotzdem an. Aber die übernimmt das Institut, an dem ich arbeite und ich erhalte gleichzeitig eine Vergütung, von der ich -sagen wir mal vorsichtig – moderat leben kann. Kurz und gut: auf die Frage warum? antworte ich aus Neugier, ich wollte gern im Ausland leben; aus Wissensdurst, denn ich wollte akademisch weiterkommen. Mit einem Magister ist man schon wer in der amerikanischen akademischen Hierarchie. Ich war so erstaunt, als mich meine Professoren fast wie Kollegen behandelten, nach meiner Meinung fragten, mir einen Kurs anboten. Nach dem Motto ‚mühsam ernährt sich das Eichhörnchen‘, arbeite ich mich nun die Leiter des Wissens und der akademischen Würden hoch.

2 Meinungen

  1. Da hast du Recht, allerdings hättest du in dem Satz „gütiger Gott, ich muss diesem Trend folgen – sonst werde ich schon bald ein armseliger Loser sein“ die englischen Wörter „Trend“ und „Loser“ vielleicht besser weglassen sollen.

  2. danke für den Beitrag, freu mich schon auf weitere Teile

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