Überfällig: Juristische Gleichstellung für eingetragene Lebenspartnerschaften

Auch wenn sich vieles verbessert hat: Die Diskriminierung von Homosexuellen bleibt auch in Deutschland weiterhin krasse Realität. Dabei sind vielfältige Partnerschaftsmodelle hier längst gesellschaftliche Gegenwart. Auf rechtlicher Ebene jedoch werden Partnerschaften jenseits der klassischen (heterosexuellen) Ehe nach wie vor diskriminiert.

Homosexuelle Paare in Deutschland: Gleiche Pflichten, weniger Rechte

Das ist dreist: Seit vor mehr als zehn Jahren die eingetragene Lebenspartnerschaft legalisiert wurde, haben sich zwar immer mehr homosexuelle Paare für die neue Regelung entschieden. Dabei werden sie aus juristischer Sicht im Vergleich zu Eheleuten jedoch weiterhin diskriminiert: Denn zwar haben sie exakt dieselben Pflichten wie Ehepartner, über dieselben Rechte dürfen sie sich aber noch lange nicht freuen.

Rechte: „Homo-Ehe“ wird diskriminiert

Gerade deshalb ist der Ausdruck „Homo-Ehe“ so zynisch. Tatsächlich sind eingetragene Lebenspartner aktuell noch in überaus relevanten Lebensbereichen schlechter gestellt als Eheleute. Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will nun einige dieser Diskriminierungen abschaffen. Beispielsweise im Mietrecht: So sollen Lebenspartner im Todesfall des Partners künftig vorrangig in den Mietvertrag einsteigen dürfen. Kritiker bezeichnen die Änderungen im Familienrecht dennoch als halbherzig. So blieben relevante Bereiche wie Steuerrecht und Adoptionsrecht für homosexuelle Lebenspartnerschaften großräumig ausgespart. Schuld daran sind natürlich die christlichen Hardliner innerhalb der Unionsparteien – diese lehnen jede Gleichberechtigung der „Homo-Ehe“ peinlicherweise weiterhin kategorisch ab. Dabei stehen sie längst auf verlorenem Posten. Immerhin: Die gesellschaftliche Debatte um eine juristische Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften ist seit dem neuerlichen Vorstoß der Justizministerin wieder im Gange. Während sich aber die Gemüter erhitzen und schnell in ein Lamento über den Verfall christlich-konservativer Werte münden, ist die aktuelle Rechtslage gar nicht jedem so klar. Dabei setzt eine intelligente Diskussion über Privilegien genau hier an: Die Unverhältnismäßigkeit von (vollen) Pflichten und (fehlenden) Rechten homosexueller Paare mit Trauschein spricht letzlich ihre eigene Sprache.

Juristische Gleichstellung für eingetragene Lebensgemeinschaften

Als am 01.08.2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz rechtswirksam wurde, war dies ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung für homosexuelle Paare. Erstmals in der deutschen Geschichte war es gleichgeschlechtlichen Paaren nun möglich, eine rechtlich anerkannte Verbindung einzugehen. Seit dem 01.01.2012 ist in allen Bundesländern das Personenstandsgesetz rechtsgültig. Weiterhin gilt in Deutschland die so genannte Personenstandsverordnung und das Lebenspartnerschaftsgesetz. Damit einher gehen die nun bundesweite Zuständigkeit der Standesämter sowie die Angleichung an das Verfahren der (klassischen) Eheschließung.

Hier werden eingetragene Partnerschaften juristisch gleichbehandelt:

  • gegenseitige Fürsorgepflichten
  • gegenseitige Unterhaltspflichten
  • gemeinsame Namenswahl
  • Verwandtschaftsverhältnis: Verwandten des Lebenspartners gelten als „verschwägert“
  • Erbrecht (§ 10 LPartG): Im Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrech steht auch Lebenspartnern seit 2010 ein Freibetrag von 500.000 Euro zu. Nach dieser Grenze gilt weiter die Steuerklasse III für fremde Personen.
  • Sozialversicherungsrecht: Familienmitversicherung in der Unfallversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung (betrifft nun auch Hinterbliebenenrente für Beamte und Staatsbedienstete, zumindest gem. Bundesverfassungsgericht)
  • Sozialrecht
  • Besuch- und Auskunftsrecht für Lebenspartner im Krankenhaus (Intensivstation)
  • Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht: Schutz vor Abschiebung, BaFög für ausländische Partner
  • GEZ-Gebühren
  • Grunderwerbssteuergesetz (GrEStG)
  • Beamtenbesoldungsgesetz: Rückwirkende Bewilligung des Familienzuschlags für Beamte (BBesG)

Hier werden eingetragene Partnerschaften weiterhin juristisch diskriminiert:

  • Zwangsvollstreckung
  • Auflösung der Lebenspartnerschaft
  • Adoptionsrecht: Im Gegensatz zu verheirateten heterosexuellen Paaren dürfen schwule und lesbische Paare nach wie vor keine gemeinsamen Kinder adoptieren. Leibliche Kinder des Partners können lediglich als Stiefkinder adoptiert werden.
  • Lohn- und Einkommenssteuerrecht: Hier bleiben Lebenspartner in der ungünstigen Steuerklasse I.

Laut deutschem Abstammungsrecht gilt ein Kind, welches innerhalb einer bestehenden Ehe geboren wird (ungeachtet seines „biologischen Ursprungs“) rechtlich als Kind beider Ehepartner. Diskriminierend: Für eingetragene Lebenspartnerschaften gilt dies nicht! Selbst die gemeinsame Adoption von Kindern ist hier unmöglich. Damit gilt beispielsweise eine Person, die innerhalb einer lesbischen Lebenspartnerschaft ein Kind zur Welt bringt, rechtlich als alleinerziehend. Die einzige Möglichkeit für die zweite Mutter ist bislang, eine „Stiefkindadoption“ zu versuchen. Diese ist allerdings nach wie vor schwierig und oft an einen langwierigen, frustrierenden Verwaltungsweg gebunden. Weiteres Beispiel für Benachteiligung: Zieht etwa eine schwuler (Zweit-)Vater von Spanien nach Deutschland, gilt er hier als „kinderlos“.

Es wird deutlich: Eingetragene Lebenspartner werden in Deutschland nach wie vor juristisch diskriminiert. Eine vollständige juristische Angleichung so wie in Frankreich, Belgien, Spanien oder den Niederlanden wird letztlich jedoch nur eine Frage der Zeit sein: Überfällig ist sie schon lange.

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