Tu Fawning im Interview: Corrina Repp über cineastische Reisen

„A Monument“, so der gewaltige Titel, auf dem Albumcover die Band in einem rotgetönten David Lynch Raum, dessen Zentrum ein verdecktes Monument ziert. Was sich unter dem güldenen Tuch befindet, das darf sich der geneigte Betrachter selbst ausmalen.

Tu Fawning bereichern Portlands Musikszene

Tu Fawning, ein weiteres Juwel aus Portland, angeführt von Joe Haege (31 Knots und Menomena) und Corrina Repp, deren überwältigende Stimme ein tragendes Element der Musik ist. Bereits mit ihrem Debüt „Secession“ haben sie im Jahre 2008 für Aufmerksamkeit gesorgt. Anders, verträumt, märchenhaft, der Zauber Portlands findet sich in Tu Fawnings Musik wieder, düster ist es, gleichzeitig einladend in großen Gesten.
Zusammen mit Lisa Rietz und Toussaint Perrault sind Tu Fawning eine beeindruckende Band, die nicht selten in ihrer ästhetischen Merkwürdigkeit einem Kunstprojekt gleicht.

Musikalische Ambitionen ausleben

Während sie auf ihrem Debüt noch einer sehr strengen Regelung nachgingen, waren die Pforten für „A Monument“ geöffnet, denn für „Seccession“ war es das Ziel der Band, alles so einzuspielen, wie es auch auf der Bühne gespielt werden konnte, nicht gerade einfach, wenn man viele Ideen für Songs hat. Für das zweite Album sollten diese Limitierungen jedoch nicht mehr gelten.

Corrina: Ja, das stimmt und es war für mich teilweise sehr frustrierend, da sind wir uns auch einige Male in die Haare geraten, Joe war wirklich darauf versteift, dass man es live spielen konnte und deshalb haben wir kaum Overdubs angewendet.
Ich denke, dass es eine gewisse Rechtmäßigkeit ist, einem Song das zu geben, was er braucht und wenn man im Studio ist und all die Optionen hat um wenigstens einen Overdub für die Vocals einzubauen, dann kann das einen Song sehr verändern und das ist wirklich wichtig. Und dieses Mal hat sogar Joe gemeint, dass wir dem Album das Beste geben sollten was wir parat haben, um jedem Song das zu geben, was er verdient und wenn das bedeutet, dass wir einen bestimmten Part nicht live spielen können, dann ist das eben so.

Recht so, deshalb dürfen sich Zuhörer mit „A Monument“ auch auf ein opulentes Album freuen, das etwa in „Wager“ fast schon spirituelle Züge mit sich trägt, düstere bis blutige Bilder, die allesamt einer ritualistischen Symbolik unterliegen, die inmitten der hohen Mauern der Kompositionen Geschichten erzählen und somit ganze Epen kreieren.

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Dass das auf der Bühne nicht genau so adaptiert werden kann, erscheint da Nebensache, denn Reproduktion von Kunst sollte sowieso nicht eine reine Kopie sein, sondern ein neues Umdenken.

Corrina: Und wenn du eine Band live siehst, dann bist du ja auch nicht davon besessen, dass sie den einen Teil des Songs nicht gespielt haben, sondern du bist hoffentlich in der Energie der Live Show gefangen. Wenn du willst, dass es genau wie das Album klingt, kannst du auch gleich das Album anhören.

Monumentales Kino

„Cineastisch“, so das Wort und der Eindruck, den Journalisten und Musikfans gleichermaßen von Tu Fawnings Musik haben, vieles davon mag an der herausragenden Dramaturgie der Songs liegen, die sich entfalten können, sich Zeit lassen, bis sie in Chören und Schlagzeuggewittern erblühen.
Genau dadurch wird vielleicht auch eine Umgebung kreiert, in der die Gedanken frei gelassen werden können, um eigene Bilder zu zeichnen.

Corrina: Selbst wenn ich die Texte schreibe, habe ich sehr Traum-ähnliche Bilder im Kopf, wir sind alle Kinofans, vor allem Tussaint. Es ist interessant, dass die cineastische Qualität so oft erwähnt wird und ich hab mich heute gerade gefragt, ob das eventuell an den Instrumenten liegt, die wir verwenden, dass sie sich einfach dazu eignen. Viele Songs haben auch ein gewisses Momentum und wir haben diese komischen, verrückten Geschichten zu jedem Song und lieben es, wenn wir Musikvideos für sie machen können.

„Bones“: Epischer Song zum Download

Wer die Kunst des Geschichten Erzählens so beherrscht, hat auch den Luxus, sich Zeit zu nehmen. Ein Glück, denn wenn sich Songs wie „A Pose for No One“ oder das immerhin 7 Minuten lange „Bones“ nicht entfalten könnten, wäre man sicher einigen musikalischen Momenten beraubt, die es am Ende schaffen, einen geradezu in „A Monument“ einzuwickeln. Dass ausgerechnet „Bones“ die erste Single war, die den Fans zum Download geschenkt wurde, war ein mutiger (da Radios die 3 1/2 Minuten Marke ungern brechen) gleichwohl genialer Streich.

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Corrina: Ich glaube, wir haben uns nie Sorgen gemacht, dass er zu lang ist, wir waren insgeheim sehr froh und dachten „fuck it, lass uns einen 7 Minuten langen, komischen, epischen Song machen, bei dem man gar nicht weiß, wo er einen hinbringt.“ Wenn man ihn sich anhört, wird man entweder nach der ersten Minute aufgeben, oder aber, wenn man ihn sich wirklich genau anhört, einfach mitgehen und bis zum letzten komischen Sample diese epische Reise mit erleben. Wir schreiben nicht für das Radio.

Gerade bei den ganzen Elementen ihrer Musik (etwa ein grandioser, an Western anmutender Männerchor in „Build a Great Cliff“) fällt der Vergleich zur Szenenarbeit eines Filmes nicht allzu schwer, weshalb sich die Frage stellt, ob die Songs auch in verschiedenen Einzelideen geboren wurden, die irgendwann zusammen ausprobiert wurden.

Corrina: Genau das ist tatsächlich mit „Bones“ passiert, es gab einen Punkt, wo wir nicht wussten, wohin mit dem Song und ich hatte diese Idee einer Mündung, die eine Tür zu einer völlig anderen Welt öffnet. (…) Es gibt dieses große, komische Ende mit Gospelchor und das war definitiv ein Moment, als ich verschiedene Ideen hatte, teilweise auch nur lyrisch und mich entschloss sie zusammen zu fügen und es hat funktioniert und es fühlt sich so an, als war es dazu bestimmt und ist ganz natürlich zusammen gekommen. Wir haben alle hart gearbeitet, aber es hat sich sehr schnell zusammen gefügt, die komische Bassspur am Anfang von „Bones“ kam von Tussaint und der Keyboardpart ist auch sehr kompliziert und schnell und irgendwie überall und er hatte das sofort im Kopf.

Eintauchen

Das Schöne an dieser ganz eigenen Welt die Tu Fawning aufbauen ist, dass die Band auch an anderer Stelle daran festhält. Ob es kryptisch-symbolhafte Musikvideos sind oder ein Albumcover, das ein fasziniertes Unbehagen auslöst.
Für das großartige Foto ist übrigens Holly Andres zuständig, eine Fotografin aus Portland, die überraschenderweise im selben Kreis der Band verkehrte und von der besonders Corinna von Anfang an hellauf begeistert war. Ihre Fotos sind allesamt von einer Märchenhaften Farbgebung geprägt, die auf den zweiten Blick trügerisch ist, denn es liegt immer der betont angehaltene Moment in der Luft, der jede Sekunde aufgelöst werden kann, um ein ungewisses Ende zu nehmen. Dass mir bei dem Cover ein kleiner Schauer über den Rücken läuft ob der Grausigkeiten, die sich darunter befinden könnten, lässt Corinna dann auch auflachen.

Corrina: Jeder hat eine andere Interpretation und das ist super und das wollten wir auch. Die Grundidee war eigentlich, dass wir ein Foto von uns als Albumcover haben wollten das nicht langweilig ist, wir wollten nicht grinsend auf einer Couch sitzen, sondern offensichtlich etwas, das unsere Musik repräsentiert und die hat halt etwas Cineastisches und wir haben überlegt, wie wir ein Foto machen können, dass das Antiquierte mit dem Modernen verbindet.

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Ein moderner Rückblick, genau das sorgt für frischen Wind, denn wenn man sich „A Monument“ im Durchlauf anhört, so wird einem schnell klar, dass es eines dieser Alben werden könnte, an denen man andere misst. Ein Stück zeitlose Musikgeschichte, das viel zu geben hat, wenn man sich auf die charmanten Merkwürdigkeiten einlässt.

Tu Fawning auf Tour:

04.05. Leipzig – Fruh Auf
05.05. Berlin – HAU
15.05. Dortmund – FZW
19.05. Mannheim – Maifield Derby
20.05. München – Feierwerk
21.05. Wien – Chelsea
27.05. Frankfurt – Zoom
31.05. Hamburg – Kampnagel

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