Gesellschaft: Senioren in der Suchtfalle

Immer mehr ältere Menschen greifen zur Flasche oder ins Pillendöschen. Schon seit einigen Jahren lesen wir von süchtigen Senioren. Bis zu 400.000 ältere Menschen sollen in Deutschland ein Alkoholproblem haben, so die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen. Senioren in der Suchtfalle – wir dürfen nicht länger weggucken!

Die Trinker von morgen trinken schon heute zu viel

Die Sucht im Alter ist ein schleichender Prozess. Laut Suchtexperten trinken die Abhängigen von morgen schon seit vielen Jahrzeiten regelmäßig ein paar Gläschen. Und davon oft ein paar zu viel. Auch Medikamente werden von vielen wie selbstverständlich konsumiert: zum Einschlafen, zur Munterwerden, zur Beruhigung und vor allem zur Leistungssteigerung. Schnell wird aus der gelegentlichen Einnahme Routine und schließlich Sucht.

Wir dürfen nicht länger weggucken. Denn mit dem Altern der Gesellschaft, der Sorge vor Altersarmut und den Existenzängsten, die viele deutsche Rentner haben, wird das Suchtproblem in Deutschland nur noch größer. Wolfgang Schmidt-Rosengarten, Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen (HLS) erklärt: „Vor allem der Missbrauch und die Abhängigkeit von Medikamenten und Alkohol sind bei Menschen über 60 Jahren verbreitet.“ Laut Schmidt-Rosengarten schätzen Pflegekräfte gemäß einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums, dass etwa 14 Prozent der Menschen, die ambulant oder stationär von Pflegekräften betreut werden, ein Alkohol- oder Medikamentenproblem haben.

Eine Folge des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs können insbesondere Stürze sein. „Sie führen in 50 Prozent der Fälle zu erheblichen Funktionseinschränkungen, bei 30 weiteren Prozent zur Hilfsbedürftigkeit und bei 20 Prozent zur Pflegebedürftigkeit. Ursachen eines Sturzes können Alkoholkonsum und Nebenwirkungen von Medikamenten sein“, so Schmidt-Rosengarten.

Auch Frauen trinken mehr als früher

Das Problem mit der Alkoholsucht sei laut der Experten, dass die sogenannte Wohlstandgeneration schon seit vielen Jahren viel Alkohol getrunken hat. Nicht nur die Männer greifen öfter zur Flasche, auch Frauen trinken ungezügelter früher. Dennoch seien ältere Menschen in den Einrichtungen der Suchthilfe noch deutlich unterrepräsentiert. Schmidt-Rosenberg: „Weil ihre Alkoholprobleme vom Umfeld oft negiert oder hingenommen werden. Viele sprechen auch aus Scham nicht über das Thema oder denken: ,Ein alter Mensch ändert doch seine Gewohnheiten nicht mehr‘.“

Laut Schmidt-Rosenberg sei es notwendig, eine Balance zu finden, um älteren Abhängigkeitskranken ihre Selbstbestimmung wiederzugeben und ihnen so eine gute Lebensqualität zu sichern. Das könne durch die Einrichtung regionaler Hilfsangebote erreicht werden.

Sie haben Angehörige, die süchtig sind? Gucken Sie nicht länger weg!

Der erste Schritt ist für die Betroffenen wie auch deren Angehörige die Erkenntnis, dass ein Problem vorliegt. Eine Schlüsselrolle spielen hier ärztliche Praxen, Apotheken und Krankenhäuser, die Sie um Unterstützung bitten können. Allerdings scheitere der Weg über den Hausarzt laut Schmidt-Rosengarten häufig an den Medizinern. Seine Idee: „Es wäre zu prüfen, ob über Vergütungsanreize Änderungen erreicht werden könnten. Die wichtige Zielgruppe der Angehörigen kann über Informationsveranstaltungen von Suchthilfeeinrichtungen in Pflegestützpunkten oder den Kommunen erreicht werden.“

Eine erste gute Anlaufstelle sind zudem die Selbsthilfegruppen der Anonymen Alkoholiker, die es bundesweit gibt. Hier treffen sich nicht nur Betroffene, sondern auch die Angehörigen, die ob der Problematik oft hilflos sind oder sich in Co-Abhängigkeiten befinden.

Foto: Thinkstock, Hemera, Ivonne Wierink

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