Briefing – ein etymologischer Irrtum?

In allen Agenturen, in denen ich war, habe ich mich über die Briefingformulare geärgert. Sie waren aufgebaut wie Pressemeldungen aus dem vorletzten Jahrhundert. Oder eine Mittelstufentexterörterung.  Erst kamen die Hintergründe, die des Unternehmens und es Marktes, dann die vermeintliche Kernaussage, dann die Aufgabenbeschreibung, zuletzt Restriktionen und/oder Budget. Mein Dauervorschlag lautete immer, sagt mir doch erst mal, worum es geht, was zu tun ist und wie viel es kosten darf. Das ist gut für einen kreativen, gleich in die Schranken gewiesen zu werden, klare Schranken, in denen er toben kann. In der anderen Form beginnt das Hirn zu arbeiten, zu phantasieren, Dinge zu ersinnen, die jäh sterben – eben weil das Budget es nicht erlaubt oder die Unternehmenspolitik. Und dann beginnen eben Diskussionen, weil man an seiner Phantasie klebt, weil man die nicht so einfach aufgeben will – und das schafft nur Reaktanzen und zieht das Ganze nur unnötig in die Länge. Schrecklich.

„briefing“ kommt von engl „brief“ = kurz.

Damit ist meines Erachtens alles gesagt. Aber es geht leider auch wieder länger und damit schwammiger, z. B. s. Wikipedia Definition:

„Briefing ist ein kurzes Zusammentreffen oder ein Briefwechsel mit den Kollegen/Kunden, in dem noch einmal alles besprochen wird, was konkret im Projekt gefordert, wie dies ausgeführt wird und was machbar ist.
Briefing stammt aus dem Militärjargon. Das Briefing war ursprünglich die Lagebesprechung, bei der die Tagesbefehle ausgegeben wurden.
Fester Bestandteil eines Werbe-Briefings ist stets eine kompakte Einweisung in die Materie, ein „Forderungskatalog“, die angedachte Marketingstrategie, evtl. Hinweise zu den größten Konkurrenten auf dem Markt etc., damit die Ausführenden eine Vorstellung von den Anforderungen bekommen.
Unter Briefing versteht man auch ein Unterrichtsinstrument, in welcher die Lehrperson sich nicht mit der ganzen Klasse, sondern mit einzelnen Teamchefs unterhält, ihnen Arbeitsanweisungen erteilt, von ihnen die gemachten Erfahrungen während der Ausführung in der Gruppe berichten lässt (Re-Briefing).“

Es wird immer zu viel gesagt und geschrieben. Statt die Dinge auf den Punkt zu bringen, erwähnt man sie zur Gänze. Weder Kunde noch Agentur (Beratung) scheinen sich daran zu stoßen, dass die Kreation fünf- und mehrseitige Exzerpte zur „re-invention of the wheel“ erhält, die das Wort „Briefing“ voranstehen haben.

Wo sind denn die Verantwortlichen, die denken und entscheiden können, die wichtig von unwichtig trennen können, die wissen, was sie wollen und nicht nur, was sie nicht wollen? Auf Agenturseite gibt es sie nicht – und wenn, dann in der Kreation, weil hier die ersten Menschen sitzen, die sich inhaltlich mit dem Geschreibsel auseinandersetzen (müssen).

Dann kommt es zur Präsentation und dabei zwangsläufig zu dem Dialog

Kunde: „Das hatte ich mir anders vorgestellt.“
Agentur: „Ich hatte sie verstanden, dass….“ (oder: („Ich dachte, Sie meinen, ….“)

Horror. Das kostet Geld. Und Nerven. Nicht nur für Kreative. Warum redet man nicht Klartext? Warum sagt man nicht auf Kundenseite: „Ich will das.“ (und meint es auch so) Warum sagt man nicht auf Agenturseite: „Verstehe ich nicht.“ und zwar beim Briefing, während man sich gegenübersitzt und nicht erst per eMail, wo es mediumbedingt nur noch zu mehr Missverständnissen kommt?

Die Antwort ist wohl Angst.

Oder ist es doch Dummheit?

 

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