Susanne Sundfor zu ‚Silicon Veil‘ im Interview: Futuristische Traumlandschaften

Nachdem man ihre Musik gehört hat, würde man Nebelschwaden, den Ruf einer Eule und einen Hauch Mysterium erwarten, wenn man Susanne Sundfor begegnet. Stattdessen gibt es eine junge, gut gelaunte Norwegerin in Jeans und schwarzem Shirt, die Eule ist jedoch tatsächlich dabei, als glitzernder Kettenanhänger.

Susanne Sundfor: Mit 'Silicon Veil' in zwei Welten eintauchen

Auf ihrem Album verwandelt sie sich jedoch schnell in ein mystisches Wesen, genau diesen Effekt hat sie auch gewollt, „Silicon Veil“, der Mix aus synthetischem Futurismus und märchenhafter Dunkelheit, wer Roald Dahl als Kind gelesen und geliebt hat, wird wohl die dunkle Seite der Märchenwelt nicht mehr los und so zieht einen bereits der Opener „Diamonds“ mit Harfenklängen in Sundfors Welt in deren symbolische Texte von eindringlichen Streichern umarmt werden.

Susanne: Manchmal habe ich einfach Bilder in meinem Kopf und dann schreibe ich sie auf und dann versuche ich, sie in einen Kontext zu setzen, über sie zu philosophieren und sie in einen Text zu bringen, der Sinn für mich macht. Es muss nicht immer Sinn für andere zu machen. Aber ich liebe es, meine Emotionen in Bilder zu übertragen, weil es so viel stärker ist als es einfach hinaus zu posaunen. Aber manchmal bin ich auch sehr geradeaus, weil es interessant ist, etwas sehr direkt zu schreiben, etwa in „Among us“, aber trotz dessen kann der Song ein Bild einer anderen Sache sein.

In diesen Ideen sind ganze Welten gefangen, die den Zuhörer einladen. Weite Sandwüsten, stürmische Winterlandschaften und Himmel und Hölle dazwischen in denen sich die Gefühle winden. „Let me out, let me ache“ singt Susanne in „Silicon Veil“, im dazu gehörenden Video sehen wir eine erwünscht Kafkaeske Verwandlung, Märchenhaftes in der tristen Realität, ein grausiger Zauber umgeben von modernem Fortschritt.
Diesen Gegensatz hat Susanne auch auf ihrer Platte zusammen geführt, durch eine Reihe an Synthesizern erfahren die delikat arrangierten Streicher klinisch scharfe Kanten.

Susanne: Am Anfang wollte ich die elektronischen Parts und die Streicher völlig voneinander getrennt halten, aber dann hat mein Produzent entschieden, dass wir die Streicher einarbeiten. Ich mag die Streich Arrangements sehr und ich glaube, dass sie wirklich gut mit dem Rest der Musik zusammen arbeiten. Ich habe die Themen der Arrangements geschrieben und mein Produzent hat sie dann für das Ensemble verfeinert und er hat auch einige Arrangements selbst geschrieben („can you feel the thunder“).

Aus der verträumten Songwriterin ist eine Mischung aus Kate Bush und Knife geworden, ambitionierte Kompositionen in einer Kulisse, die nicht von dieser Welt zu sein scheint.

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Susanne: Als ich angefangen habe, hatte ich keine Ahnung, wie man in einem Studio arbeitet und dann habe ich langsam angefangen und habe auch selbst produziert. Manche der Songs habe ich selbst produziert, andere haben Lars und ich selbst produziert und andere hat er produziert.

Manchmal mache ich einen Sketch, bzw. eine Demo und starte mit einem Beat. „Diamonds“ hat mit der Basslinie und dem Beat angefangen. Das ist immer unterschiedlich. Manchmal arbeite ich am Piano, manchmal ist es reiner Zufall.

Musikvideos im fantastischen Realismus

Ähnlich beeindruckend sind die Musikvideos, für die sie den Regisseuren eine freie Hand gelassen hat:

Susanne: Ich arbeite gerne mit Künstlern, die nichts mit Musik zu tun haben. Als ich mit Magnus Voll Mathiassen gearbeitet habe, habe ich ihm gesagt, er kann machen was er will, solange er mich auf dem Laufenden hält und dasselbe habe ich zu den Regisseuren gesagt, Mats Udd und Luke Gilford. Beide haben mir ihre Vorstellungen genannt und ich hab sie machen lassen.
Ich finde es wichtig, kreativen Leuten, die meine Musik in ihren Künsten interpretieren, viel Platz zu geben, um das zu machen, was sie wollen. Man muss ihnen vertrauen, ansonsten kann man es auch selbst machen. Deshalb arbeite ich auch gerne mit Leuten zusammen, die gut sind.

Dass sich das Konzept um Zukunftsszenarien im Zusammenspiel mit düsteren Märchen so stringent durch Songs aber auch die Videos zieht, ist dabei keinem übergreifenden Konzept zu verdanken, sondern dem unbewussten Instinkt der Norwegerin.

Susanne: Das merkwürdige daran, seine Musik zu beschreiben ist, etwas zu beschreiben, was man nie wirklich in Worte gefasst hat, weil man nie bewusst darüber nachgedacht hat. Ich habe nicht gezwungen versucht, etwas organisches mit etwas synthetischem zu verbinden, aber am Ende ist es genau das geworden und so ist auch der Titel entstanden.
Es macht nicht alles sofort Sinn und ich mag es, Dinge offen zu lassen und mir die Möglichkeit zu geben, in alle Richtungen zu gehen. Das Schwierige an einem Konzeptalbum ist, wenn man am Anfang eine bestimmte Idee hat, dann schließt man so viele Türen. Und ich habe am Ende erst versucht, allem einen Sinn zu geben.

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Verwobene Kompositionen

Und wie sehr sich das Unterbewusstsein durch die zarten Harfen aus „Diamonds“ und „Silocon Veil“, den aussagekräftigen Synthesizern in „White Foxes“ und „Rome“ zieht, das bemerkt man spätestens dann, wenn man am Ende des Albums, lange nach „Your Prelude“ wie aus einer Trance, einer verlorenen Nacht in dunklen Wäldern erwacht und in das Tageslicht blinzelt. Magisch ist es, wie Susanne uns in ihre abstrakt-schöne Welt entführt und sich mit uns in ihr verirrt.
Kaum zu glauben, dass sie sich da nicht ständig wie die Königin unserer Träume fühlt, wenn sie auf der Bühne steht, ganz im Gegenteil, so fühlt sich Susanne meistens angespannt und darauf erpicht, alles perfekt zu machen, die selbstsichere Attitüde eines Popstars scheint ihr dabei fremd zu sein.

Susanne: Es ist nur einmal passiert, bei einem Festival vor zwei Wochen. Davor hab ich es nie wirklich genossen, wenn ich auf der Bühne war. Damit ich etwas genießen kann, muss alles klappen und es gibt immer etwas, was nicht klappt, entweder das Publikum reagiert nicht oder man drückt die falsche Taste. Und bei diesem Festival war alles perfekt und alles lief so wie es sollte.

Nun, Susanne Sundfor mag jeden kleinen Fehler heraus hören, die menschlichen Gehörgänge werden dieser Sirene aber keine Fehler anhören können, stattdessen wird „Silicon Veil“ mit überwältigender Stärke, Schönheit und dunkler Anziehungskraft für ein unglaublich starkes Hörerlebnis sorgen, das seine Spuren hinterlässt.

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