Stuttgart 21 aktuell und ein Rückblick auf die vergangenen Jahre

Wasserwerfer, Polizisten, die auf Demonstraten einprügeln,Tränengas, verletzte Menschen, die Bilder der Demonstrationen und das Fehlverhalten der Polizei sind bis heute noch in Erinnerung vieler Menschen.

Stuttgart 21-der Rückblick

Bereits 1901, mehr als 80 Jahre bevor man sich Gedanken über das Projekt Stuttgart 21 machte, wurde ein Konzept vorgelegt einen Durchgangsbahnhof zu bauen. Doch aus bautechnischen und betrieblichen Problemen wurde dieses Konzept schnell wieder verworfen. Danach entschied man sich den alten Bahnhof abzureißen und an derselben Stelle einen neuen Kopfbahnhof zu bauen, der bis heute noch stehende Bahnhof in Stuttgart.
Ende der 1980er Jahre wurde bereits ein Konzept von Heimerl, Dobeschinsky und Hohnecker von der Universität Stuttgart eingereicht und verschiedene Ideen wurden besprochen. Einige Themen wurden abgelehnt wie zum Beispiel die Idee eines Durchgangs- und weiterbestehenden Kopfbahnhofs. 1993 wurde der Architekt Meinhard von Gerkan beauftragt verschiedene Varianten zu entwickeln, aus der am Ende das heutige Konzept des achtgleisigen Durchgangsbahnhofs am Hauptbahnhof hervorging.
Am 18. April 1994 wurde das Projekt Stuttgart 21 in einer Pressekonferenz mit Bahnchef Heinz Dürr, dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU), Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU), Matthias Wissmann (Bund) und Hermann Schaufler (Land) offiziell vorgestellt. Durch viele Ideen und Konzepte entschloss man sich folgendes umzusetzen: die Beseitigung der Gäubahn bis nach Vaihingen, Anbindung an den Flughafen, der Hauptbahnhof bleibt an der selben Stelle, freiwerdende Bahnflächen werden Bauland, sowie die Realisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Ulm-Wendlingen.
In den Folgejahren wurden Machbarkeitsstudien durchgeführt. Man plante damals noch den Baubeginn für 2001 und die Fertigstellung von S21 im Jahr 2008. Am 28. Februar 1997 wurde ein europaweiter Architektenwettbewerb für die Gestaltung des neuen Bahnhofs ausgerufen. Gewonnen hat die Idee von Christoph Ingenhoven, seine Idee wird der neue Durchgangsbahnhof.
1998 wurde das Projekt von dem damaligen Deutsche Bahn Chef Johannes Ludewig gestoppt. Es begann ein 3 jähriges Tauziehen zwischen Baden-Württemberg und Bayern gegen den Bund, um Stuttgart 21 durchsetzen zu können. Als sich der Bund und die Länder Baden-Württemberg und Bayern auf die Vorfinanzierung einigten, da das Projekt wegen Geldproblemen auf der Kippe stand, genehmigte die Deutsche Bahn am 14. März 2001 das Projekt S21 wieder. Der angebliche Bau wurde auf 2004 verschoben, die Inbetriebnahme wurde auf 2010/11 gesetzt. Im Folgejahr wurde der Start auf 2006 verschoben, die Fertigstellung bereits auf 2013. Der Termin des Baustarts mutierte allmählich zu einem Treppenwitz.
2006 begannen die Verhandlungen wer wieviel der Kosten übernimmt, ebenso die Abstimmung im Landtag Baden-Württembergs zur Realisierung Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen. Diese wurde mit 115 zu 15 Stimmen (nur die Grünen stimmten dagegen) zugestimmt. Erst 2009 unterschrieben der damalige Ministerpräsident Oettinger, Bundesverkehrsminister Tiefensee, die Stadt Stuttgart und die Bahn die Finanzierungsvereinbarungen.
Am 2. Februar 2010 wurde dann, 9 Jahre nach dem eigentlichen Termin, der symbolische Baubeginn gefeiert.
Bereits seit November 2009 gab es wöchentliche Montagsdemonstrationen vor dem Nordausgang des Bahnhofs. Die Montagsdemonstrationen gibt es bis heute noch jede Woche in Stuttgart, allerdings nicht mehr mit tausenden Leuten, mit Glück kommen noch einige Hundert. 
Bei den Kommunalwahlen 2009 wurden die Grünen stärkste Ratsfraktion in Stuttgart.
Am 30. Juli 2010 wurden die Vorbereitungen zum Abriss des Nordflügels begonnen, unter Polizeischutz wurde der Bauzaun aufgestellt. Durch eine Alarmkette kamen 2000 Leute zusammen und begannen mit Straßensperren und Sitzblockaden gegen S21 und den geplanten Abriss zu demonstrieren. Der Abriss des Nordflügels fand von Augst-September 2010 statt.
Am 10. September 2010 protestierten laut Versanstalter 69.000, laut Polizei 35.000 Menschen mit einer Menschenkette um den Landtag. Dauermahnwachen im Schlossgarten wurden eingeführt, um die geplanten Baumfällungen zu verhindern. Am 7. September 2010 wurde der Schlossgarten geräumt, am 17. September wurden dennoch wieder Bäume besetzt.

Der 30. September 2010 – der dunkelste Teg von Stuttgart 21

Bei einer Demonstration im Mittleren Schlossgarten versammelten sich einige Tausend Menschen, um gegen das Fällen der Bäume zu demonstrieren, welches in der Nacht auf den 1. Oktober durchgeführt wurde, als es zu Handgreiflichkeiten zwischen einigen Demonstranten und den Polizisten kam, fühlten diese sich genötigt Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke gegen die Menge einzusetzen. 400 Menschen wurden verletzt, darunter auch die „heldenhafte“ Tat Minderjährige und Rentner anzugreifen. Ein Mann erblindete durch einen Strahl des Wasserwerfers komplett, als dieser ihn Mitten ins Gesicht traf. Weitere Gründe waren Demonstranten, die mit gefährlichen Dingen wie Kastanien oder Plastiktüten gegen die Polizisten vorgingen. Wenige Chaoten warfen mit Feuerwerkskörper und Flaschen, was allerdings ein so brutales Vorgehen der Polizei nicht entschuldigt.

Die Landtagswahl 2011

Die Gegner des Bahnprojekts warteten sehnsüchtig auf diesen Tag. Laut Umfragen stellte sich bereits ein historischer Sieg der Grünen voraus, der eine andauernde „Herrschaft“ der CDU und FDP in Baden-Württemberg stoppen könnte. Mit 24,2% der Stimmen wurden die Grünen die zweitstärkste Partei hinter der CDU, die 39% holte. Allerdings reichte es nicht mehr für eine Schwarz-Gelbe Koalition und die Grünen stellten mit der SPD als Koalitionspartner, ihren 1. Ministerpräsidenten der Geschichte. Winfried Kretschmann wurde am 12. Mai 2011 als Ministerpräsident vereidigt. Die Versprechungen, die er machte hielt er auch indes ein und er setzte eine Volksabstimmung durch.

Die Volksabstimmung am 27. November 2011

Trotz allen Demonstrationen sah die Prognose von Anfang an so aus, als ob sich die Befürworter S21 durchsetzen würden. So kam es dann auch und das war schließlich das endgültige Aus der Idee „Kopfbahnhof 21“, welche die Demonstranten durchsetzen wollten. Mit 58,2% der Stimmen gewannen die S21 Befürworter klar gegen die 41,8%, die die Gegner erzielten. Damit stimmte auch der Gegner Kretschmann dem Bau zu und beließ es bei weiteren Versuchen das Bauprojekt zu stoppen.

Stuttgart 21 aktuell

Seit Januar 2012 wird der Südflügel des Bahnhofs abgerissen, die Arbeiten sind bis heute nicht beendet, da es zu einem Zwischenfall bei den Abrissarbeiten kam. Durch eine falsche Bewegung des Baggers brach eine Wand, eine Stütze und das Dach über Gleis 16 ein. Bis heute ruhen die Abrissarbeiten obwohl der Südflügel eigentlich schon Ende März hätte fertig abgerissen sein sollen. Verletzt wurde bei dem Zwischenfall niemand, der Zug, der auf dem Gleis stand, konnte den Bahnhof pünktlich verlassen.
Zudem wurden diesen Februar 238 Bäume gefällt oder umgepflanzt.
Bis MItte November sollen die Baustraßen im Innenstadtbereich fertiggestellt sein. Die Grundwassertaktung soll im Januar 2013 aufgenommen werden. Der Rohbau des neuen Bahnhofs sollte bis Dezember 2018 fertiggestellt sein. Mitte 2012 soll die S-Bahn Haltestelle Staatsgalerie umgebaut werden, was bis 2017 andauern soll. Mitte 2012 soll ebenfalls der Tunnelbau in Richtung Türlenstraße beginnen. Die Fahrbahnen und eisenbahntechnischen Anlagen des neuen Bahnhofs sollen bereits 2016 fertiggestellt sein.
Die Arbeiten am Technikgebäude am Nordausgang werden ebenfalls in der MItte des Jahres 2012 weitergeführt. Die Inbetriebnahme der Strecke Wendlingen – Ulm erfolgt Ende 2019, bereits seit 2010 wird an dieser Strecke gebaut. Der neue Durchgangsbahnhof wird nach heutigem Stand der Dinge im Dezember 2020 in Betrieb genommen. Ab diesem Zeitpunkt werden die jetzigen Bahnhofgleise im Bahnhof stillgelegt und abgebaut.
Das gesamte Projekt kostet aktuell 4,5 Millarden Euro, wobei die Kosten aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Verzögerungen und Missgeschicke die bereits passierten oder passieren könnten noch höher gehen wird.

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2 Meinungen

  1. Dass die Kosten höher als die 4,5 MIlliarden sind ist klar. Staatliche Bauprojekte Ufern immer aus. Das war ein Dickes Ding damals. Vorallem als die Polizei da auf die Bürger los ging. Bin aber selbst überrascht wie modern meine Heimat BW ist, dass ausgerechnet hier die Grünen ihren ersten MP stellen. Wer hätte das gedacht.

  2. Wilhelm Leonhard Schuster

    Ich schätze, wäre der Bahnhof 2012 wie ursprünglich geplant in Betrieb gegangen,er hätte ca 3,5 Milliarden weniger gekostet denn er bis 2020 kosten wird.Man kann in diesem Falle studieren wie teuer ein „modernes “ BWder Staatskasse dieses Landes, der Bahn und dem Bund kostet.

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