Sind französische Kinder besser erzogen?

Mit ihrem Buch „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind – Erziehungsgeheimnisse aus Paris“ löst Pamela Druckerman auch in Deutschland eine Debatte aus. Die Amerikanerin lebt mit Ihrem Mann und Kindern in Paris und hat erstaunliche Unterschiede in der Erziehung von französischen und amerikanischen Kindern ausgemacht. Sie stellt ihr Buch auch in Deutschland vor – deutsche Kinder und Eltern, so ihre These, verhalten sich eher wie die amerikanischen Familien als wie die französischen Nachbarn. Und die sieht sie so:

– Französische Kinder haben ein besseres Tisch- und Essverhalten. Pamela Druckerman führt dies darauf zurück, dass die Kinder in Frankreich von klein auf an mehrgängige Menüs mit dazugehörigem Gemüse und Käse gewöhnt würden. Außerdem seien die Familien strikt mit ihren Essenszeiten und erlaubten den Kindern (und sich selbst) keine Snacks zwischendurch. So setzen sich die Kinder hungrig an den Tisch und greifen gut zu.

– Den französischen Kindern werden, so die Analyse von Pamela Druckerman, feste Grenzen gesetzt, innerhalb dieser Grenzen herrsche aber ein großer Freiraum. Französische Eltern respektieren Kinder, nehmen sie ernst, erwarten im Gegenzug aber auch, dass Kinder sich gut benehmen und die Erwachsenen respektieren.

– Amerikanische und deutsche Eltern behüten ihre Kinder eher, sorgen sich als „Helikopter-Eltern“ ständig um das Wohlergehen und trauen den Kindern weniger zu als französische Eltern. Bindungstheorien machen vor allem Mütter ängstlich.

– Aber auch das amerikanischen Modell hat nach ihrer Einschätzung Vorteile: Die Kinder dort seien optimistischer, Ehrgeiz und das Gefühl, alles erreichen zu können, seien weiter verbreitet.

Diese – wohl mit Absicht etwas überspitzt formulierten Thesen – finden in deutschen Medien ein breites Echo und bringen das Buch auf die Spiegel-Bestsellerliste. Doch gerade Französinnen kommen zu teilweise gegensätzlichen Einschätzungen und warnen davon, den Erziehungsstil in Deutschland oder anderen Ländern zu verdammen. Widerspruch kommt beispielsweise von Corinne Maier in der Zeitschrift NIDO.

Ihre Argumente:
– Nach ihrer Erfahrung sind französische Kinder nicht besser erzogen als italienische, deutsche oder holländische
– Schüler in Frankreich haben weniger Gelegenheit, sich frei zu äußern, stattdessen stehen sie eher unter dem Druck zu funktionieren. Sie schauen sorgenvoller in die Zukunft ihre Alterskollegen in anderen Ländern, von den Müttern fordert die Schule permanenten Einsatz.
– Mütter erleben den gleichen Spagat zwischen Beruf und Familie wie in Deutschland und USA, werden mit Haushalt und Kindern von den Männern aber weitgehend allein gelassen.
– Viele Französinnen arbeiten Teilzeit und können keineswegs Karriere machen.
– Frauen in Frankreichs sind von Gleichberechtigung weit entfernt; in Frankreich ist die Kluft zwischen den Geschlechtern sogar höher als in anderen europäischen Ländern, was Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten.

Insgesamt, so ihre Einschätzung, enthalte das Buch von Pamela Druckerman viele Klischees und Wunschbilder. Pamela Druckerman erliegt womöglich dem weit verbreiteten Irrtum, dass das Gras auf der anderen Seite grüner sei, sagt Corinne Maier.

Pamela Druckerman: „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind – Erziehungsgeheimnisse aus Paris“. Mosaik Verlag, München; 352 Seiten; 17,99 Euro

Fotonachweis: Thinkstock, 178567158, iStock, monkeybusinessimages

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