Schulverwaltungsamt: Krankenkasse soll zahlen

Bereits vor zehn Jahren hat der Orthopäde Prof. Dr. Jörg Jerosch für die Orthopädische Universitätsklinik Münster eine Studie vorgelegt, wonach die wenigsten Schüler an passenden Stuhl-Tisch-Kombinationen sitzen. Folge dieser stundenlangen Folterung können Müdigkeit, Rücken- und Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Haltungsschäden und Deformierungen der Wirbelsäule sein. Für die WDR-Sendung "markt" (ausgestrahlt am 4. Juni 2007) hat jetzt der Orthopäde Dr. Thomas Lichtinger die Sitzhaltung von 109 Neusser Schülern untersucht. Erschreckenderweise entspricht das aktuelle Ergebnis ziemlich genau der zehn Jahre alten Studie des Dr. Jerosch. Über 60 Prozent aller Schüler fristen ihr Schuldasein demnach auf völlig untauglicher Bestuhlung.

Wieder einmal erstaunlicherweise muss nüchtern festgestellt werden, dass die schon lange als richtig erkannte Lösung der einsitzigen Tische, die sich in Skandinavien, in anderen europäischen Ländern und den USA schon längst durchgesetzt haben, in Deutschland wieder einmal, wie andere Errungenschaften moderner Forschung nicht zum Einsatz kommen.

Besonders krass in diesem Zusammenhang ist die Aussage des in der Sendung befragten leitenden Beamten eines Schulverwaltungsamts, der sicher nicht den ganzen Tag auf einem nicht verstellbaren Plastikschemel sitzen muss: „Der Platz eines Schülers in der Standardausstattung mit Doppeltisch und einem Stuhl dazu kostet 95 Euro, die einsitzige Komfortlösung 200 Euro pro Schülerplatz." Bereits das Wort "Komfortlösung" für eine nicht gesundheitsgefährdende Lösung spiegelt das Menschenbild dieses Gesellen ganz gut wider.

Mit anderen Worten: Soll doch die Krankenkasse später die Folgekosten zahlen. Dann sind die Patienten in spe längst aus dem Zuständigkeitsbereich des Schulverwaltungsamtes verschwunden. Aus den Augen, aus dem Sinn!

Eine Schande ist diese Aussage. Alle Vorurteile gegenüber Beamten, besonders Verwaltungsbeamten scheinen sich in diesen Worten zu bestätigen. Aber es ist auch eine Schande, dass in Deutschland so mit der Gesundheit des Nachwuchses umgegangen wird. Warum sind die Skandinavier eigentlich stets so viel besser? Weil sie verantwortungsbewusster sind?

Haben die vielleicht das fähigere Personal?

(Foto: www.pixelio.de / Fotograf: I.Friedrich)

2 Meinungen

  1. Hallo Herr Petereit,mit Ihrem Beitrag sprechen Sie mir aus der Seele. Bis sich flächendeckend das Verwaltungshandeln den Bedürfnissen der Kinder anpasst, kann es dauern. So lange gilt: Fragen Sie Ihren Arzt oder Sportlehrer. Letzterer könnte mit quantitativ und qualitativ gutem Unterricht die Defizite deutschen Klassenraummobilars orthopädisch bekämpfen. Sie sehen: Ich lasse nicht von meiner Theorie ab, dass es gar nicht genug Bewegung und Sport im deutschen Schulalltag geben kann:-)

  2. Dieter Petereit

    .Das Verwaltungshandeln wird sich nur dann ändern, wenn Eltern flächendeckend gegen die alltäglichen Gesundheitsschädigungen an ihren Kindern vorgehen. Von solchen Initiativen habe ich bislang noch nie etwas gehört..Ich gebe Ihnen wieder Recht: Unter dem Gesichtspunkt, dass es besser ist, nicht auf solchen Stühlen zu sitzen, müsste es wesentlich mehr Sportunterricht an deutschen Schulen geben ;-).

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