PISA – Das vernichtende Zeugnis des deutschen Bildungssystems

Ist die Bildungspolitik in Deutschland nicht zu einem Sandkasten der Politiker geworden? Hier können sie sich so richtig austoben. Für sie ist es ein risikofreies Spiel, denn wenn es schief geht, leiden ja nur die Kinder – die bekanntlich nicht wahlberechtigt sind. Es gibt leider nicht nur einen, sondern mehrere Sandkästen. Und die Spielsachen, die darin verwendet werden, sind die Kinder– bekanntlich kann jedoch auf Sand nichts Standfestes gebaut werden.

In letzter Zeit vergeht kaum eine Woche, in der nicht über „PISA" debattiert wird. Die fenno-skandischen Länder tauchen hierbei als leuchtende Beispiele auf. Obwohl Pisa als Stadt eine der ältesten Universitätsstädte ist, handelt es sich hier nicht um diese Stadt – und das an sich ist schon ein kleiner PISA-Test für sich – sondern um die so genannte PISA-Studie (Programm for International Student Assessment – das Programm für internationale Schulleistungsuntersuchung), die von der OECD in über 30 Ländern durchgeführt wird. Die finnischen Schüler und Schülerinnen schnitten bei diesen Tests am besten ab und landeten auf Platz eins. In Finnland hat man sich über die Ergebnisse gefreut, sich aber nicht unbedingt auf die Schulter geklopft, denn die Tests besagen nicht alles. In Deutschland jedoch löste Platz 20 Katastrophenalarm aus.

Es ist verständlich, dass die Lehrer verbittert und verzweifelt sind. Jeden Morgen aufzustehen und mehr oder weniger niederschmetternde Berichte und Artikel über den eigenen Beruf und Arbeitsplatz zu finden, kann nicht aufmunternd sein. Aber sich internationale Kritik zu verbitten? Sollte nicht Kritik als Anregung gesehen werden? Verbandspräsident Josef Krause ruft sogar dazu auf, es zu überdenken, inwieweit Deutschland noch finanzielle Mittel für die PISA – Studien zur Verfügung stellen will. Der Vorschlag, die PISA – Studien durch die deutsche Lehrerschaft und falls nötig noch durch einige Bildungspolitiker analysieren zu lassen statt von der OECD, klingt eher nach einem Versuch, das Problem unter den Teppich kehren.

„Aus Fehlern kann man lernen" – oder sollte man wenigstens. Den „Kopf in den Sand stecken" und meinen, dass Bayern trotz alledem bildungspolitisch zu den besten Bundesländern gehört, bringt leider sehr wenig. Teure „Studienreisen" in den fenno-skandischen Ländern bringen nur etwas, wenn man bereit ist, die gelernten Veränderungen auch umzusetzen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war am 10.12.2004 zu lesen, dass die guten Testergebnisse Finnlands auf deren Eliteschulen zurückzuführen sind. Nur: In Finnland gibt es keine einzige Eliteschule. Es gibt Schulen, die ausländische Sprachen als Unterrichtssprache führen, wie die Deutsche Schule in Helsinki, aber keine Eliteschulen, wie es die FAZ darstellte. Dass die Kinder Finnlands schnell lesen können oder so gut die englische Sprache beherrschen, weil in Finnland alle ausländischen Filme mit Untertitel versehen sind, ist der wohl sehr naive Versuch einer Erklärung und hat mit der eigentlichen Wahrheit wenig gemein.

Kann man eventuell etwas von Finnland lernen? Die Folge der Studien war ein reges Interesse mit dementsprechend vielen Anfragen bei „Opetushallitus", dem finnischen Bildungsministerium. Auch Bundesministerin Edelgard Bulmahn nahm sich die Zeit, um das Land zu besuchen. Haben diese Besuche zu Änderungen geführt?

Einige Faktoren des finnischen Bildungssystems sind in der Tat bemerkenswert. In ganz Finnland existiert seit nunmehr rund 30 Jahren die Gesamt- bzw. Einheitsschule, die vom 7. Lebensjahr an von allen Kindern besucht wird. Es gibt keine andere Schulform, sie ist in allen Bundesländern für alle Kinder gleich. Damit ist es weitestgehend auch gelungen, eine soziale und regionale Gleichwertigkeit des Bildungsniveaus herzustellen. Die Schule wird durch eine Examen  „Ylioppilastutkinto" (auf Finnisch) / „Studentexamen" (auf Schwedisch), das in allen Bundesländern gleich ist, beendet. Dieses Examen berechtigt zum Studium an einer Universität und ist international anerkannt. Zu erwähnen ist, dass in Finnland 60% des Jahrgangs 1989 das  „Studentexamen"  (Abitur) in diesem Jahr geschafft haben. In Deutschland waren es nur 28%.

In Finnland bleiben die Kinder neun Jahre im selben Klassenverband. Der Schulbesuch ist kostenlos, so auch mittags die warme Mahlzeit, Lehrmittel und der Transport in die Schule. Auch wenn der soziale Hintergrund der Eltern in Finnland keine Rolle mehr für den Schulbesuch spielt, sind dennoch nicht alle Schüler gleich, sie lernen unterschiedlich schnell und auch in Finnland spielen Verhaltensprobleme eine Rolle. Hier gilt der Grundsatz: Individuell und in Kleingruppen unterrichten statt selektieren. Schulpsychologen und Sonderpädagogen unterstützen diejenigen, die Lernschwierigkeiten haben und sorgen so für  Chancengleichheit. Den Schülern ein kritisches Selbstbewusstsein mit auf ihren Lebensweg geben, durch Motivieren statt Demotivieren hat oberste Priorität bei den schulischen Zielsetzungen. Diese Ziele glänzen in Deutschland durch Abwesendheit.

Finnland gehört zu den Ländern, die recht früh mit dem Fremdsprachenunterricht anfangen, mindestens zwei Sprachen werden im Laufe der Gesamtschule gelernt, eine dritte ist auf freiwilliger Basis möglich. Studien haben gezeigt, dass die Fähigkeit eine fremde Sprache zu lernen bis zum neunten Lebensjahr am größten ist.

Den Herausforderungen des Informationszeitalters entsprechend sind darüber hinaus die meisten Schulen großzügig mit moderner Informationstechnologie ausgestattet worden, um auch hier den Schülern das nötige Rüstzeug für ihr späteres Berufsleben vermitteln zu können.

All dies erfordert gut ausgebildete und motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Von staatlicher Seite wird hierauf besonders viel Wert gelegt – und die Anforderungen sind hoch. Verlangt werden ein Universitätsstudium mit Magisterabschluss und zusätzlich eine parallel laufende pädagogische und didaktische Ausbildung. Über einen Ansehensverlust können sich finnische Lehrer generell nicht beklagen.

In einem Punkt sind sich alle politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen in Finnland einig: Es lohnt sich, in Bildung und Ausbildung zu investieren. Zurzeit besuchen nach erlangtem Gesamtschulabschluss 90% der Schüler eine weiterbildende Einrichtung, davon 60% die gymnasiale Oberstufe, die anderen eine Berufsschule. Bemerkenswert ist, dass über 90% der Gymnasiasten auch ihren Abschluss erlangen. Nach dem Zentralabitur oder dem beruflichen Abschluss können sich die Studierenden entweder an einer der 20 Universitäten oder an den 30 Fachhochschulen des Landes bewerben. Doch was ist mit denjenigen, die das Abitur nicht schaffen? Welchen Schulabschluss haben sie?

In Finnland betragen die Gesamtausgaben für das Bildungswesen derzeit 7,8% des Bruttoinlandproduktes (der EU-Durchschnitt beträgt 6%). In Deutschland hingegen sind es nur 4,8%. Es ist die wichtigste nationale Ressource, die das Land seinen Bürgern zu bieten hat. Nur durch Investitionen in Humankapital kann das Land im globalen Wettbewerb mithalten, in dem es gerade in den letzten Jahren sehr erfolgreich gewesen ist.

Vielleicht sollte man daher genau jetzt in Deutschland Verbesserungsvorschläge ausarbeiten, statt wertvolle Zeit durch Formulieren irrationaler Gegenargumente zu verlieren?Wann verstehen wir endlich, dass die Figuren dieses Spiels die Kinder sind? Aber nicht nur die Kinder leiden, sondern auch die Eltern. Wann wird es uns endlich klar, dass die Zukunft dieses Landes in den Händen unserer Kinder liegt – nicht in den Händen der Politiker?

Int
elligenzbefreite Argumentationen und Vorschläge der Politiker verbessern das Bildungssystem in Deutschland nicht. Wenn Nordrhein-Westfalens Schulministerin Barbara Sommer eine Trennung des Unterrichts nach Geschlechtern und einzelnen Fächern vorschlägt- und man davon ausgeht, dass sie diesen Vorschlag tatsächlich ernst meint – dann stellt sich die Frage, ob wirklich eine ernsthafte Überlegung dahinter steckt oder ob es sich eher um einen halbherzigen und undurchdachten Lösungsvorschlag handelt, um gefordertes Engagment zu zeigen.

Die Schuld immer bei den Anderen zu suchen ist eine menschliche Reaktion aber führt nicht zur Lösung des Problems. Wie so oft ist die beste Lösung in der Natur der Sache zu finden. Kinder entwickeln sich genauso unterschiedlich wie sie alle sind. Die Lösung des Problems finden wir also in einem Schulsystem, das diese Entwicklungsunterschiede erlaubt. Und vor allem – lassen wir doch Kinder auch Kinder sein!

Keine Meinungen

  1. D’accord…:Doch ich habe mein Französisch erst mit 14 Jahren gelernt und mich mit 16 beim Schüleraustausch den Native Speakern gestellt.Dieses Finnische Schulmodell,das zum PISA-Erfolg führte,kostet die Finnische Regierung ein Heydengeld.Das verwenden wir hier Hierzulande lieber für Soldaten-und Polizisten-Einsätze in Afghanistan.Schließlich machen es uns die Briten ja vor,dass wer einen höheren Schulabschluss mit anschließendem Studium anstrebt,teure Privat Schulen besuchen muss.Die Staatlichen sind sowas von schlecht und abgewirtschaftet,wie die Kanalisation in England,die hauptsächlich daran schuld ist,dass in England momentan Land unter herrscht.Kurt Beck geht sicherlich auch damit baden,sich dafür einzusetzen,mehr Steuergelder in diese Land zu pumpen.Afghanistan ist TALIBAN verseucht und organisiert gerade dort eine professionelle Entführungs MAFIA.Die Söhne von Bundestagsabgeordneten nebst die des Herrn Beck bleiben davon verschont,dieses LAND retten zu müssen.Notfalls mit scharfen Schusswaffen.Für Kinder und Jugend ist in der BRD einfach KEIN da.Sie haben keine Lobby.Die Schulbücher müssen selbst bezahlt werden,Lehrermangel ohne Ende,und dann träumen Edmund Stoiber und andere davon,im nächsten Jahr PISA ERSTER zu werden.NEIN!!!!Die Familien mit genügend Geld im Hintergrund leisten sich den Luxus von privat bezahltem Nachhilfeunterricht bereits in der Grundschule.Doch die reichen NICHT aus,den Durchschnitt zu heben.

  2. Würde man in Deutschland die Schulbildung für Kinder und Jugendliche wirklich ernst nehmen,dann würde das ein HEYDEN-Geld.Statt dessen überlegen sich die Politiker,wie sie selbiges sparen können.Ganz simpel:Am Gymnasium wird einfach ein kostspieliges Schuljahr weggestrichen.Und dann bundeseinheitliche Schulbücher!KOSTET immens!!!!Denn dann gäbe es verbindliche Lehrpläne Deutschland weit.Ob die neuen Bundesländer auf Bayern Niveau getrimmt werden können???NIE!Es fehlt am Geld für Privat-Stunden.Zum Thema HEYDEN-Spaß….siehe wörterblog mit Augmentativa vom 27.Juli 2007Leony-Cat

  3. Ich denke auch es liegt mal wieder an dem lieben Geld für unsere Bildung.

  4. „Ist die Bildungspolitik in Deutschland nicht zu einem Sandkasten der Politiker geworden?“ – eindeutig Ja! In Sachen Bildungspolitik fällt besonders auf, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine große Diskrepanz! Mir kommt es so vor, dass insbesondere an regnerischen Sonntagen immer wieder Bildungsreformen beschworen werden, unter der Woche geht man dann doch lieber zur Tagesordnung über! Dem Kommentar von Katy Heyden kann ich allerdings nicht zustimmen („Geld für Soldaten-und Polizisten-Einsätze in Afghanistan“). Ob dieser Einsatz sinnvoll ist kann man zwar bestreiten, aber grundsätzlich hölt sich Deutschland ja bewußt in sachen Verteidigungspolitik und Budget zurück! Außerdem hängt internationale Sicherheit immer von der Zustimmung aller ab – und ist immer dann gefährdet sobald einer der Beteiligten an den internationalen Vereinbarungen kein Interesse mehr hat. Frieden durch die Abschaffung der Bundeswehr funktioniert nicht. Mehr Geld für Bildung aber immer gerne!

  5. Interessant ist, dass die Schweizer (obwohl laut Selbstauskunft gleichertige Leistungen wie Deutschland) ihr abschneiden im PISA-Test als GUT bezeichnen und stolz auf ihre Leistung sind.Hier kucken:http://tagesschau.sf.tv/nachrichten/archiv/2007/12/04/schweiz/schweizer_schueler_sind_in_mathe_top

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