Mordet der russische Geheimdienst ohne Wissen des Kreml?

Der „Guardian" berichtet, dass "Officials now go so far as to say that the involvement of individuals within the FSB in the affair is "probable"." Gleichwohl gehen die britischen Ermittler nicht davon aus, dass die russische Regierung direkt in den Anschlag verstrickt ist. [„While ruling out any official involvement by Vladimir Putin's government […]"]

Die Vermutung, dass aber doch staatliche stellen in den Anschlag involviert sind, liegt nahe. Polonium 210, das Gift an dem Litvinenko starb, kann nur aus einer „[…] aus einer staatlichen oder halbstaatlichen Quelle gekommen ist; niemand sonst betreibt ein Atomkraftwerk, in dem man Polonium 210 herstellen kann." Nicht einmal in Russland.

Die Täter wollten zudem, dass bekannt wird, wie Litvinenko starb. Sie wählten die Dosis des Giftes so, dass nachvollziehbar ist, an welcher Substanz genau der Ex-Agent starb. „Bei einem anderen Grad der Mischung hätten die Täter die Chance gehabt, nicht nur selbst zu entkommen, sondern auch die Tat zu verschleiern."

Bleiben also zwei Erklärungen.

Erklärung I

Die russische Regierung wusste von dem Anschlag nichts und unterhält einen außer Kontrolle geratenen Geheimdienst, der im Ausland mordet. Dies wäre, gelinde gesagt, besorgniserregend.

Erklärung II

Die russische Regierung wusste von den Anschlägen und deckt den Geheimdienst. Dann hätte man also einen Geheimdienst der mit Hilfe und Wissen der Regierung, unliebsame Staatsbürger im Ausland ermorden lässt. Auch diese Variante ist mehr als besorgniserregend.

Fazit: der russische Geheimdienst (oder Teile des Geheimdienstes) vergiftet, mit oder ohne Wissen der Regierung, eigene Staatsbürger, die sich im Ausland befinden.

Es bleibt abzuwarten, welche Wendung die nächste im Fall Gajdar sein wird. Vielleicht können daraus auch Rückschlüsse auf den Londoner Mord abgeleitet werden. Zu hoffen ist nur, dass der russische Ex-Premier nicht das Schicksal Litvinenkos teilen muss.

6 Meinungen

  1. Erklärung III. Die Spur führt direkt in den Kreml und alle im Westen wissen es, aber man weiss nicht, wie man das politisch auf die Reihe bringt, angesichts des bevorstehenden Winters und der Abhängigkeit vom russischen Erdgas. Also redet man jetzt von „ausser Kontrolle geratene Geheimdienstler.“ Vielleicht wurde diese Sprachregelung bereits mit dem Vorzimmer von Putin abgesprochen. Wenn die Gaspreise statt wie vorgesehen 15% nur um 7.5% verteuert werden, habe ich Recht.

  2. @M.M.Die Frage ist doch aber, ob der Kreml soetwas durchziehen würde. Okay, zuzutrauen wäre es den Jungs dort wahrscheinlich. Doch wo ist das Motiv? Ohne Motiv meist kein Mord, und schon gar kein so ausgeklügelter. Was wusste Litvinenko, dass er, wenn deine These zutrifft, sterben musste? War es die Yukos Geschichte? Wissen aus den Geheimdiensten? Sein Kontakt zu Beresowski? (Letzteres würde ich mal ausschliessen.) Und selbst wenn er beweisen hätte können, dass Politowskaja direkt von Kreml leuten ermordet wurde – hätte das im „Westen“ zwar zu einem Aufschrei der Empärung geführt, das wäre es dann aber auch schon gewesen. Dafür jetzt noch jemanden umbringen erscheint daher fast ausgeschlossen. Also, wo ist das Motiv?Manchmal denke ich schon an vorauseilenden Gehorsam der Geheimdienste oder Teilen davon, um Putin einen Gefallen zu tun. Erst Politowskaja, jetzt Litvinenko und Gajdar soll ja auch vergiftet worden sein. Von den Menschen und Vorgängen in Russland mal ganz zu schweigen…

  3. Das Motiv ist das Signal, die Einschüchterung, die Machtdemonstration. Nach innen. Nach aussen. Lesen Sie mal das hier: http://www.nzz.ch/2006/12/02/al/articleEPOVA.htmlDas meine ich. Wer Journalisten im eigenen Land ermordert, der ist auch bereit, im Ausland „für Ordnung“ zu sorgen.

  4. „Das Motiv ist das Signal, die Einschüchterung, die Machtdemonstration.“ Daran hatte ich auch schon gedacht, aber ich hätte nicht erwartet, dass der Kreml so reagiert. Und schon gar nicht im Ausland. Scheinbar aber ist es doch so: Die Obduktion des Leichnams von Litwinenko wurde unterdessen abgeschlossen. Nach Informationen des „Guardian“ enthielt der Körper eine Polonium-Dosis, die ihn mehr als 100 Mal hätte töten können und einem Beschaffungspreis von 20 Millionen Pfund (29,7 Millionen Euro) entsprochen habe. Ein Kreml-Sprecher sagte, Russland produziere Polonium nur in einer für Ausländer gesperrten Stadt. Ziemlich erschreckend das ganze. Ebenso die Haltung des Springer Konzerns in dem von Ihnen empfohlenen Artikel. Vorauseilender Gehorsam scheint in RUS ein weit verbreitetes Phänomen zu sein. Immerhin wurde auf Intervention von Forbes USA die Zeitung noch herausgegeben.

  5. Na also, wer sagt’s denn. Ich habe das gleich zu Beginn vermutet, dass es in diese Richtung laufen wird.http://arlesheimreloaded.twoday.net/stories/3004757/Jetzt werden nur noch Nebelpetarden geworfen. http://arlesheimreloaded.twoday.net/stories/3011628/Man stelle sich vor, man müsste zur Kenntnis nehmen, Herr Putin stecke tatsächlich dahinter. Der Westen müsste doch glatt handeln – und wüsste nicht wie. Die Welt ist voller Rätsel.

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