Militärputsch in Thailand, Staatsstreich als Politfolklore?

(Foto: PixelQuelle.de/ D. Bunkerd)

BANGKOK Das thailändische Militär nutzte am Dienstagabend einen Auslandsaufenthalt des umstrittenen Regierungschefs Thaksin Shinawat, um zu putschen. Die Bevölkerung Bangkoks nimmt die Situation gelassen, schließlich ist dies bereit der zwanzigste Militärputsch seit 1932, da hat man Übung. Jedenfalls soll der Feierabendverkehr nach Augenzeugenberichten ganz normal abgelaufen sein.

Vermutlich findet der Staatsstreich auch einige Zustimmung in der Bevölkerung, denn Thaksin Shinawat hatte sich zum Jahresbeginn endgültig den Zorn der bürgerlichen Mittelschicht zugezogen, nachdem seine Familie ihre Anteile an einem Telekommunikationsunternehmen steuerfrei für einen Milliardenpreis verkaufte. Die Opposition beschuldigte ihn des Machtmissbrauchs und auch der Bestechlichkeit. Bis zu den vorgezogenen Parlamentswahlen im April hatte es in Bangkok Massenproteste gegen Shinawat  gegeben. Damals organisierte die Opposition einen Wahlboykott, der schließlich dazu führte, dass das oberste Verfassungsgericht die Wahl am achten Mai für ungültig erklärte und Neuwahlen innerhalb von sechzig Tagen forderte. Die Justiz handelte auf den ausdrücklichen Wunsch König Bhumibols – bisher hatte in solchen politischen Krisen stets das Militär eingegriffen. Offensichtlich konnten die Generäle sich aber auch diesmal nicht beherrschen und haben nun die Situation in der gewohnten Weise „geklärt". Sicher hätte eine zivile Lösung der Regierungskrise sie ihrer Wichtigkeit beraubt.

Die Putschisten um Armeechef Boonyaratkalin ernannten einen Vertrauten von König Bhumibol zum neuen Boss. Thailands provisorischer Regierungschef ist nun General Surayudh Chulanont. Selbstverständlich wurden Kabinett und Senat aufgelöst – das macht man so beim Putschen – und auch die Verfassung ist kurzfristig suspendiert. Derweil hat der in der Heimat bereits abgesetzte Ministerpräsident Shinawat seine Rede vor der UN-Vollversammlung vorgezogen, um schleunigst nach Hause zu reisen. Ob er jetzt vielleicht doch noch die Steuern für den Milliardendeal nachzahlen möchte?

Traditionsgemäß wollen die Thai-Generäle keine Militärdiktatur errichten, sondern werden nach eigener Erklärung die Macht demnächst an eine Übergangsregierung abtreten – und dann, ja dann gibt es wohl auch irgendwann die geforderten Neuwahlen. Eines muss man diesem überflüssigen Putsch immerhin zugutehalten, die Aktion wurde routiniert und unblutig durchgeführt, irgendwie scheint der Vorgang eine Art thailändische Politfolklore zu sein – hoffentlich.

Die Chefarztfrau

5 Meinungen

  1. Nachdem gestern die Situation noch ziemlich unueberschaubar war, hat mir heute ein befreundeter Schweizer, der in Thailand lebt, bestaetigt, dass bislang alles friedlich verlaufen sei, und grundsaetzlich nicht von einer Gefahr fuer Einwohner, Touristen oder Geschaeftsleute auszugehen ist.Der Koenig selbst scheint den Putsch zu befuerworten oder zumindest zu dulden. Er hat in jeungster Vergangenheit den MP Shinawat mehrfach (Zita, mein Bekanntert:) ‚oeffentlich zusammengschissen‘.Die Thais vergoettern das Koenigshaus geradezu und gegen den Koenig kann das Militer weder regieren, noch sonst etwas unternehmen. Grundsaetzlich ist davon auszugehen, dass im Oktober Neuwahlen stattfinden werden und das Militaer dafuer Sorge zu tragen hat, dass dieses Mal alles mit rechten Dingen zugeht und keine Stimmen mehr gekauft werden (acht Euro – beim letzten Mal).So weit meine Informationen zum Stand der Dinge. Ach ja, mein Bekannter schloss seine Mail an mich mit den Worten:Keine Panik auf der Thaitanic.-m*sh-

  2. @-m*sh- Danke für das Update, direkt aus Thailand :o) , so funktioniert Bloggen richtig gut!GrußAlex

  3. seltsame themenwahl.dort ein land mit – einem putsch von vielen. [niemand reagiert weil alltagsgeschäft]hier ein land mit erwischtem verlogenem regierungsminister und entsprechend wütendem volk.einzige erklärung für die verunglückte themenwahl wäre mir: dort stehen schon ein panzer auf der straße, das macht was her.hier noch nicht, das ist wohl unspektakulär.-ja, ja – die themenwahl überlasse man … blablabla.wollte auch nur meiner verwunderung ausdruck verleihen und dieses nicht unbegründet lassen.

  4. Gemäss Netzeitung befürworten fast 90 Prozent der Bevölkerung den „Putsch“. Kann man da überhaupt noch von „Putsch“ reden? Ist das nicht Demokratie aller erster Güte, das Militär als langer Arm und zum Schutz des Volkes, auch wenn’s den „westlichen Pseudodemokraten“ nicht gefällt?

  5. meine these der seltsame themenwahl wird kräftig unterstrichen.heute, nur 4 tage später, spricht niemand mehr über tailand und den putsch.der erwischtem und verlogenem regierungsminister in mittelbarer nachbarschaft – der wird noch immer gehetzt.

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