‚Love this Giant‘: David Byrne und St. Vincent geben sich die Ehre

Am Anfang stand die gegenseitige Bewunderung. Drei Jahre lang haben David Byrne und Annie Clark schließlich nebenher an diesem Juwel gefeilt: Herausgekommen ist ein zutiefst eigentümliches Album, das so manche Erwartungen fröhlich über Bord wirft.

St. Vincent & Byrne: Love This Giant

Wenn eine Legende wie Talking-Heads-Sänger David Byrne und eine hochtalentierte Muse wie Annie Clark gemeinsame Sache machen, sprengt das natürlich so einige Superlative. Für das Album „Love This Giant“, das am 11. September 2012 erscheint und schon jetzt als Stream verfügbar ist, können die Erwartungen deshalb gar nicht hoch genug sein.

Keine Frage – arglos dahinplätschernde Hintergrundmusik findet man in „Love This Giant“ ganz sicher nicht. Stattdessen liefern dominante Bläser einen sperrigen (und doch fröhlichen!) Sound. Auf den muss man sich zunächst einlassen. Bald jedoch bemerkt man erstaunt, wie herrlich unverkrampft und scheinbar leichthin Byrne und Clark in „Love This Giant“ mit den eigenen Hörgewohnheiten spielen. Und verrückt: Jedes Mal, wenn wir von all den plötzlichen Rhythmuswechseln und musikalischen Überraschungsmomenten fast schon ein bißchen betrunken sind, werden wir mit herzallerliebsten Sahnehäubchen wie „Optimist“ wieder elegant um Annie Clarks Finger gewickelt.

The Making of Love This Giant

Annie Clark hat eine besondere Gabe: Die texanische Songwriterin kann Menschen in ihren Bann ziehen. Bereits für ihr Debüt „Marry Me“ (2007) konnte die vielseitige Multi-Instrumentalistin und Sängerin, die unter dem Pseudonym St. Vincent arbeitet, hochkarätige Unterstützung in Form von Mike Garson (Langzeitpianist bei Bowie), Louis Schwadron (Hornist von Polyphonic Spree) und Brian Teasley (Drummer bei Man or Astroman) gewinnen. Mit „Actor“ (2009) und „Strange Mercy“ (2011) veröffentlichte Annie Clark, die schon für Bands wie Arcade Fire und Sufjan Stevens auf der Bühne stand, schließlich zwei weitere Alben, die ihresgleichen suchen. Seitdem steht St. Vincent für seltsam schmeichelhafte und doch widerspenstige Musik, die sich (wenn überhaupt) allenfalls unter dem Etikett „Indie-Rock“ zusammenfassen lässt.

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David Byrne, legendary & former Frontmann der Talking Heads, hatte schon mehrere Konzerte von Annie Clark besucht, als die beiden sich auf einem Benefiz-Event erstmals persönlich über den Weg liefen. Bereits beim zweiten Zusammentreffen (im Publikum von Björk) entstand die Idee für ein ähnliches gemeinsames Projekt. Zunächst sollten es nur eine gute handvoll Songs für eine kleine Show in New York werden. Dann fingen beide Feuer und verfielen langfristig ins Tüfteln.

Das Album entstand via E-Mail-Ping-Pong

Das Beeindruckende am Album „Love This Giant“ ist sein Entstehungshintergrund: Während sowohl St. Vincent als auch Byrne ständig mit eigenen musikalischen und künstlerischen Projekten befasst waren und sich oftmals sogar auf verschiedenen Kontinenten befanden, entstanden die Songs der Kollaboration über weite Strecken am Rechner: via E-Mail-Ping-Pong. Die Herausforderung war schnell klar: Es galt nicht mehr und nicht weniger als zwei musikalische Originale miteinander in Einklang zu bringen – ohne jedoch an Eigenartigkeit einzubüßen (die schließlich macht beide Künstler zu großen Teilen aus).

Wie werden sich zwei musikalische Koryphäen gerecht?

Das Ungewöhnliche an „Love This Giant“ ist, dass die Kollaboration von Byrne und St. Vincent offenbar weithin ohne hemmende Ego-Sperenzchen auskommt. Sie ist die perfekte Mischung aus musikalischer Leidenschaft und Pragmatismus. Beispiel: Um sich den akustischen Gegebenheiten der kleinen New Yorker Bühne anzupassen, wo es keine großartigen PA-Verstärker gab, lieferte Annie Clark die Idee, mit Bläsern aufzutreten. Byrne war sofort begeistert.

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Letzten Endes hat es das geplante gemeinsame Konzert nie gegeben. An der Idee, diesen überaus lauten, eigensinnigen und dynamischen Sound mit Bläsern beizubehalten, hielten beide jedoch fest. Musikalischen Support gibt's dafür von den Dap Kings und Antibalas. Um mit den Bläsern zu harmonieren, wurde der Beat erst nachträglich in die Produktion eingefügt. So wie schon die letzten beiden Alben von St. Vincent wurde auch „Love This Giant“ von John Congleton und Patrick Dillett produziert.

David Byrne und Annie Clark: kill their Darling.

Auch die Faust-und-Magengruben-Regel „Kill your Darling“, die für Künstler nichts Nervenzerreissenderes bedeutet, als dass man manchmal einen kreativen Einfall zugunsten eines Besseren opfern muss, haben Byrne und Clark beinahe stoisch ausgeweitet in ein „Kill the other one's Darling“: Nach Herzenslust haben sie im Laufe der Kollaboration nämlich die Einfälle des anderen geschreddert, umgebastelt und etwas neues daraus gemacht. Und dass das einvernehmlich möglich war, ist in der Branche schon mehr als ungewöhnlich.

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