Im Spiegel zeigt sich manches andersrum …

Der Spiegel 40/2006 forderte bekanntlich in seiner Titelgeschichte "Rettet dem Deutsch!": Das «Denglishe» müsse der deutschen Sprache ausgetrieben werden. Anderswo in diesem Blog habe ich darauf hingewiesen, dass nicht das eingewanderte Englische das zentrale Problem sei – "die Sprache frisst das Fremde und verdaut es" -, sondern die anwachsende Zahl von Abstrakta, daraus folgend die zunehmende Unanschaulichkeit jeder Kommunikation. Kein Mensch vermöge sich unter dem ebenso allgegenwärtigen wie aufgedonnerten Wortschwall aus PR, Werbung, Politik, Marketing usw. noch etwas Dingliches oder gar Anfassbares vorzustellen.

In einem Nachtrag zum Spiegel-Artikel weist jetzt Stefan Niggemeier, bekanntlich Kopf des BildBlog, dem Spiegel nach, dass der die Faktenlage sogar falsch zitierte. Es sei keineswegs so, dass «(s)chon 2004 eine Studie der Universität Hannover (festgestellt habe), dass unter den 100 am meisten verwendeten Wörtern deutscher Rede 23 englische (gewesen seien), fast ein Viertel – 1980 (sei) es noch eins (gewesen)». Der Spiegel fälsche nämlich dieses Ergebnis, indem eine kleine, aber entscheidende Weglassung es zur Halbwahrheit mache: nur "unter den häufigsten Wörtern in Werbe-Slogans" sei das Ergebnis so, wie vom Spiegel beschrieben.

Dass aber zwischen dem Sprachgebrauch der Werber und demjenigen von Oma Monsees ein gewisser Unterschied besteht, ist wohl jedem einsichtig. Die Situation des Deutschen ist in diesem Punkt keineswegs so, wie sie die Alarmisten vom Spiegel beschrieben haben: Der große Feind der deutschen Sprache ist weniger der Amerikanismus, der «Feind» ist die Gedankenlosigkeit – und diese wiederum thront vor allem in den Fraktionsstuben der Politik, in den Großraumbüros der Agenturen und in den Vorstandsetagen der Unternehmen, kurz überall dort, wo sich die Willi Wichtigs unserer Gesellschaft nicht «festnageln» lassen möchten. Sie sind es, die unsere Sprache so betrachten, wie der Indianer die bunten Federn für den Kopfputz, nicht als ein Mittel der Verständigung, sondern als ein karriereförderliches Plapperlapapp, das vor allem Zugehörigkeit zur jeweiligen «Peer Group» signalisiert – um an dieser Stelle auch mal einen Amerikanismus zu verwenden.  

Generell aber gilt: Misstraut allen Medien, auch den «seriösen», die brauen alle nur Zaubertränke. 

3 Meinungen

  1. Wie soll man die deutsche Sprache retten wenn man keinen mehr hat der an der Sprache interesse hat….?

  2. Sprache ist weder gut noch schlecht, schon gar nicht ein armes Opfer: Sie ist das, was die Menschen jeweils daraus machen. Man kann sie benutzen, einerseits, um bspw. durch Unverständlichkeit zu beeindrucken. Sie wäre dann ein Herrschaftsinstrument, wie’s der Hühnerdieb bei Heinrich Zille erlebt, der von dem paragraphengespickten Sermon des Richters nicht die Bohne versteht. Oder sie dient anderen Zwecken, der Unterhaltung, der Balz oder aber auch der Aufklärung, indem sie durch Klarheit und saubere Argumentation das Verständnis fördert. Ich beschreibe solche Vorgänge nur, ich will niemanden „retten“ …

  3. Auf einer kürzlich gelesenen Buch- oder Webiste, die ich leider zu markieren vergass, stand sinngemäss:«Die deutsche Sprache ‚entwickelt sich‘ nicht, sie WIRD entwickelt. Und zwar von uns allen.»Das währe, ein weiteres Argument für damit mehr Sorge zutragen.

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