Gute Argumente II

Beispiele:

Argument der Vereinbarkeit (bzw. Unvereinbarkeit)

formal-logisch:
Wenn A gleich B und B gleich (oder aber nicht gleich) C, dann ist A auch gleich (oder eben nicht gleich) C.

lebensweltliche Illustration:
In der frz. Restaurationszeit, als das Publikum spontan die republikanische Marseillaise zu singen wagt (Vorgang A), stürmt ein Polizist (Vorgang B) die Bühne. Er gibt bekannt, dass unter Zensurbedingungen nur zur Aufführung kommen dürfe, was im Programm vorgesehen sei (gesetzte Regel C). Spöttische Gegenfrage aus dem dunklen Theaterraum: «Und Sie? Sind Sie im Programm vorgesehen?»

Argumentative Struktur:
Wie der Gesang A ist auch der Polizist B nicht in C vorgesehen – und er hat deshalb gar nichts zu sagen (= Argument der Unvereinbarkeit).

konstruiertes heutiges Beispiel:
Wenn politisch alle Einrichtungen (A) erhalten werden sollen, die für die sozialen Zusammenhänge einer Stadt unentbehrlich sind (Bedingung C), und wenn die bedrohte Aids-Beratung/Kindertagesstätte usw. (B) für die Stadt ebenfalls unentbehrlich ist, dann folgt daraus messerscharf, dass die Voraussetzung A auch für B zutreffen muss, und die Aids-Beratung/Kindertagesstätte usw. keinesfalls geschlossen werden darf.

funktional:
Dieses Argument falsifiziert den anderen, indem es Widersprüche und doppelte Maßstäbe aufdeckt, oder es macht allgemeine Sätze durch Parallelisierung auf den besonderen Fall anwendbar. Gerade bei allen «Ich-auch-Argumentationen» ist diese Regel unentbehrlich.

Argument der Identität

Eines der häufigsten Argumente. Kaum ein Gespräch, egal zu welchem Thema, wo Dero Trivialität nicht eingestreut würde.

formal-logisch:
A gleich A

lebensweltlich:
Geschäft ist Geschäft.

Politisch:
Alles ist politisch.

werblich:
Persil bleibt Persil.

behördlich:
Die Erhöhung der Deiche kostet so viel, wie diese Erhöhung nun mal kostet.

funktional:
Das Identitäts-Argument ist weit davon entfernt, eine bloße Tautologie zu sein: Es ist ein Argument der Unabänderlichkeit, des Nichts-Daran-Machen-Könnens. Universell anwendbar gegen alle Sparzumutungen, Verhaltensänderungen usw. Es ist die schärfste Waffe aller Traditionalisten: »Das war schon immer so… »

Die Gerechtigkeitsregel

In einer Demokratie wohl die häufigste politische Argumentation. Das macht die Regel aber noch nicht zur Selbstverständlichkeit. Zur Illustration: Im Faschismus gilt diese Regel eben nicht, weil sie die Exklusion benutzt (Nicht alle A sind C / «Manche Schweine sind gleicher»). Fremde, Ausländer, Penner usw. werden ausdrücklich und regelhaft ausgeschlossen.

formal:
Alle A sind C

lebensweltlich:
Alle Menschen sind gleich.

rechtlich:
Wesentlich Gleiches muss juristisch über den gleichen Leisten geschlagen werden (simile similis).

funktional:
Der Rekurs auf letzte unhinterfragbare Wahrheiten, vor derem Richterstuhl letztlich alle gleich sind. Deshalb darf durch eine Steuerreform, durch das Fehlen einer Quotierung, durch Klassenjustiz, durch Hautfarbe keine Gruppe bevorzugt oder benachteiligt werden. Sozusagen die «Mutter des Antidiskriminierungsgesetzes». Die Gerechtigkeitsregel ist gerade im sozialen Bereich allgegenwärtig, sie ist das Lebenselixier jeder Selbsthilfegruppe.

bis hierher erst einmal
*beim nächsten Mal dann Kausalkette, Reziprozität und andere seltsame Bewohner der Sprach- und Blogwelt*

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