Großstädte der USA: Warum die Straßen im Schachbrett angeordnet sind

Ein Schachbrett als Stadtbild – das ist keineswegs eine amerikanische Erfindung gewesen. Bereits im Jahr 2600 v.Chr. waren die, heute pakistanischen, Städte Mohenjo-daro und Harappa in dieser Form konzipiert. Und auch in Südamerika gibt es zig kleinerer und größerer Ballungszentren, die schachbrettartig angelegt sind (Buenos Aires ist hierfür ein prominentes Beispiel). Und dennoch fällt hierzulande der Fokus in dieser Frage auf die USA – wohl nicht zuletzt daher, weil dieses Land häufiger als Argentinien oder Chile bereist wird.

Ein Schachbrett für Amerika – warum sich das orthogonale Straßennetz verbreitet hat

Wie auch im Süden des Kontinents, wanderten in die USA Franzosen, Engländer und Spanier ein – diese brachten in einige Gegeneden dieses Straßennetz. Doch war dies nicht der Hauptbeweggrund. Der „grid plan“, wie er im englischen heißt (alternativ: „grid street plan“ oder „gridiron plan“), bildete sich vor allem im Zuge der quadratischen Landvermessung heraus. Ab dem Jahr 1785 nutzte man diese Art der Vermessung zur Landerschließung der bis dato nicht oder wenig besiedelten Gegenden. Die ankommenden Siedler konnten sich somit neu vermessenes Land erstehen – ein Quadrat wurde jeweils in sechs Meilen Kantenlänge aufgeteilt. Doch damit nicht genug: Jene Gegenden, die bereits besiedelt waren, wurden ihrerseits nochmals eingeteilt (natürlich in sehr viel kleinere Einheiten). Somit entstanden Blöcke, die pro Seite etwa 100 Meter maßen (und bis heute messen).

Das Uniforme und die Unterschiede

Dabei entstanden, je nach geografischer Besonderheit und Bodenbeschaffenheit, mal mehr, mal weniger exakte Schachbrett-Muster. Schaut man sich beispielsweise die Hauptstadt Washington DC an, so kann man unmöglich die wie Schneisen geschlagenen Straßen, oder besser Boulevards bzw. Broadways und Avenues übersehen. Vorbildhaft hierfür war – auch wenn das die Amerikaner ungern zugeben – ein Franzose. Georges-Eugène Haussmann schuf im 19. Jhd. in Paris eine konsequente und radikale Umstrukturierung der metropolitanen Stadtbeschaffenheit. Zu Zeiten Napoleon III. beauftragte dieser Haussmann damit, die Stadt klarer zu gestalten, große Straßen anzulegen, die sich durch die gesamte französische Hauptstadt ziehen sollten. Der Hintergrund: Paris war zu diesem Zeitpunkt bereits hoffnungslos übervölkert, die Infrastruktur der Stadt drohte zusammenzubrechen und viel schlimmer: Es wurden abermals Ausschreitungen aufgrund der politischen und sozialen Missstände befürchtet. Die verwinkelten Gassen und kleinen Straßen machten es den Pariser Revolutionären allerdings auch gänzlich einfach Barrikaden zu errichten und dem Militär zu entkommen. Diesen Umstand wollte Napoleon III. beseitigen und ließ also große (Pracht-)Straßen errichten, die übersichtlich und gut kalkulierbar sein sollten. In DC wurde das Konzept übernommen, wenngleich es hier nicht primär revolutionäre Ängste waren – sondern eher der Hang zum Pompösen und Repräsentativen.
In Europa bildet Paris mit dieser drastischen Veränderung des Stadtbildes indes eine absolute Ausnahme.

Die historisch gewachsenen europäischen Metropolen sind – zumindest vom Straßenverlauf her – oft weitgehend unverändert gelassen worden. Und auch hierin erkennt man einen Unterschied zu den Vereinigten Staaten: Wie sollten denn dort die Städte über Jahrhunderte entstehen? Als die Siedler aus Europa sich in die Neue Welt aufmachten, wussten sie darum, dass es Städte gibt und wie diese aussehen. Hier wurde zwar eine andere Straßenführung umgesetzt, doch ungleich schneller zur europäischen Stadtgeschichte, sprießen diese hier nur so aus dem Boden.

Praktische, pragmatische Vorteile

Zudem muss der praktische Nutzen dieser Straßenführung zu Gute gehalten werden: Sie sind einfach übersichtlich. Viele werden nun sagen: Aber dafür auch nicht so überraschend, so einlandend zum erkunden. Dem ist so, doch scheinen die Amerikaner bzw. die Siedler das schachbrettartige Muster schätzen gelernt zu haben – sonst hätte es sich nicht von der Ost- bis an die Westküste ausgedehnt. Dabei sind es nicht nur die Großstädte der USA, sondern gleichsam kleinere Vororte, und auch beschauliche Städchen, die dem Muster entsprechen.
Und zuletzt: Eine Schachbrettform macht eine Stadt ein Stück weit sicher, auf jeden Fall kann es aber befreiend wirken. Sicher, da tatsächlich hunderte Meter lang geschaut werden kann und auch andere Personen einen sehen. Und befreiend, da der „grid plan“ Platz und – naja – „Auslauf“ in der Stadt suggeriert.

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