Geistige Fettleibigkeit

So gibt es in Köln einen Verein namens "Klasse in Sport – Initiative für täglichen Schulsport". In Kooperation mit der Kölner Sporthochschule hat man an zehn Kölner Grundschulen durchgesetzt, dass dort jeden Tag eine Stunde Sport gegeben wird. Weiterhin sollen sämtliche übrigen Unterrichtsstunden auch bewegungsaktiv gestaltet werden. Der Verein sieht Kinder ansonsten in der Gefahr zu verfetten und dann spontan zu versterben, um es mal etwas provokant auf den Punkt zu bringen.

Auf den ersten Blick klingt das ja möglicherweise ganz vernünftig. Auf den zweiten Blick stellt man aber fest, dass bislang schon drei Stunden Sport in der Woche zum Lehrplan gehört haben. Zwar sind fünf zwei mehr als drei, aber einen so bahnbrechenden Bewegungsboost kann ich da nicht erkennen. Desweiteren und das finde ich viel bedeutsamer, scheinen die Herrschaften von "Klasse in Sport" davon auszugehen, dass sich Kinder, gerade Grundschüler, außerhalb des Schulgebäudes nicht mehr bewegen. Schulschluss, hinsetzen. Klar, dass da die Schule zum Hort der Gesundheit werden muss.

Meiner Lebenserfahrung mit drei eigenen Kindern entspricht solches aber nicht. Meine Kinder und deren gesamtes Umfeld sind nach der Schule nicht zu bändigen. Da werden etliche Kilometer am Tag zurückgelegt. Die paar Schulsportstunden fallen da nun wirklich nicht im Mindesten ins Gewicht.

Ich sehe es eher umgekehrt. Je mehr Sport in der Grundschule gegeben wird, desto weniger Zeit bleibt für diejenigen Fächer, in denen das Erlernen harten Faktenwissens auf die weiterführende Schule vorbereitet. Aber ich habe selbstverständlich auch Verständnis dafür, dass das Erteilen von Sportunterricht mehr Spaß macht, als die Kids in Mathe an die Tafel zu zwingen.

Geistige Fettleibigkeit hat eben auch viel mit Bequemlichkeit zu tun. Und wenn man das in ein schickes Konzept betten kann, umso besser…

(Foto: www.pixelio.de / Fotograf: S. Hofschlaeger)

2 Meinungen

  1. Sehr geehrter Herr Petereit,zu Ihrem Beitrag in Sachen Schulsport würde ich gern ein paar Dinge anmerken.Als Vater stelle auch ich zum Glück einen unbändigen Bewegungstrieb bei meinen beiden (fußballernden) Söhnen auch und vor allem nach Schulschluss fest. Als Elternratsmitglied der Grundschule meines kleinen Sohnes stelle ich mit Beglücken fest, dass neben den drei Sportstunden Bewegung in jeder gro0en Pause auf mehreren Außenplätzen des Schulgeländes stattfindet (natürlich hat nicht jede Schule diesen Luxus). So findet soziales Lernen (u.a Regeln!) in aktiver Form auch ohne pädagogische Begeltung statt. Was aber ist mit Kindern, die nachmittags keinen Sportverein besuchen oder – warum auch immer – den Bewegungsradius ihres Zimmers nicht überschreiten.Als Diplom-Sportwissenschaftler stelle ich fest, dass es zuhauf Belege für die positive Wechselwirkung von Lernen und Bewegung vor allem im Kindes- und Jugendalter gibt. Insbesondere in weiterführenden Schulen wird dieser Tatsache durch kleine Räume, viel Frontalunterricht und eine Herabqualifizierung von Sportunterricht gegenüber vermeintlich wertvolleren Fächern nicht Rechnung getragen.Und zuletzt: Als Ehemann, Freund und Bekannter vieler Sportlehrer/innen stelle ich fest: Die Arbeitsbelastung beim Erteilen von Sportunterricht ist in keiner Weise zu verniedlichen. Lärm, verkürzte Pausen und das in Studien immer wieder erwiesene Ausmaß z.B. motorischer Defizite und/oder Übergewicht stellen die Pädagogen vor mindestens so große Aufgaben wie das Vermitteln von Multiplizieren oder Rechtschreibung.Ergo: Meiner Meinung nach liegt „geistige Fettleibigkeit“ in der Ignoranz gegenüber Bewegung und Sport(unterricht) als schulische Querschnittsfunktion.

  2. Dieter Petereit

    .Hallo Herr Schütte..Ihrem Ergo stimme ich zu. Es gibt viele Formen geistiger Fettleibigkeit ;-).

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