Ein Block vor den Blogs

In den späten 80er Jahren hatten einige Münchner Studenten die Idee, ein "Buch für alle" herauszubringen. Jeder Mensch dürfe eine DIN-A4-Seite beschreiben, vollmalen, dichttippen, was auch immer, und an ihren Verlag faxen. Diese Faxsammlung banden sie unterschiedslos in der Reihe des Eingangs zusammen und veröffentlichten sie unter großem Getöse als Buch. Unter dem Titel "speak. Akten All" erschien der 650-Seiten-Klotz dann, und auch bei mir verstaubt noch solch ein Block aus Papier in irgendeinem Winkel (Interessenten wenden sich bitte an den Verfasser). Schon beginnen die Parallelen zur heutigen Blogwelt, auch wenn alle Analogien bekanntlich hinken:

1. Das Buch war tatsächlich ein ‚Jedermann-Medium‘, heute die Definition für Blogs schlechthin.

2. Das Buch enthielt einige geniale Sachen, aber auch viel Schrott. Nach der Parallele zur Blogosphäre mag sich jeder selber bücken.

3. Kommerziell war das Ganze ein grandioser Flop, der den Jungverlegern die Haare vom Kopf fraß. In seinem taz-Blog berichtet Jörg Schröder die ‚wahre Geschichte‚ des Lustprojektes, wo zum Schluss Verlagspaletten voller Remittenden die Hauptrolle spielen, die einfach in der Isar verklappt wurden. Und wieder liegt die Analogie auf der Hand: Auch in der Blogosphäre fragen sich zahllose Leute, wo beim Bloggen endlich mal irgendein Verdienst dabei sein könnte. 

4. Nur medial war das Projekt ein großer Hit. Vom Spiegel bis zum Stern berichteten alle Journalisten seitenweise und innovationsbegeistert über die kiloschwere Kultursensation. Über mangelnde Aufmerksamkeit in den Medien kann sich heute unser Dorf Bloghausen auch nicht beschweren.

5. Das Schönste an den Texten im ‚Akten All‘ war ihre Kürze. Worauf aber wollte ich damit hinaus …

Den Anstoß zur Erinnerung an diesen Vorgang verdanke ich übrigens diesem Blogger dort draußen am Großen Tor .

4 Meinungen

  1. Nur, um die Leser nicht unnötig zu verwirren, hier der direkte Link auf den angesprochenen Blog-Beitrag: http://thegreatgate.blogger.de/stories/934032/

  2. „Das Buch für alle“ kannte ich bisher noch nicht, werde mal auf den Link klicken.Wo waren die anderen Blogger? Am Zeitungslesen oder beim Kauf von Zeitschriften? Ich weiss es nicht. Was habe ich vor dem Bloggen mehr oder anders gemacht, als heute? Gute Frage.

  3. Ich denke mal ’speak – Akten All‘ hat den Sturz in die Isar damals nicht überlebt. Das Buch dürfte daher höchstens noch antiquarisch erhältlich sein.

  4. Ich hab das Ding heute auf den Dachboden gepackt und mir dabei gedacht, dass es auf ganz eigenartige das ganze Web, und nicht nur Blogs, antizipiert hat. Jedes Medium träumt das nächste, sagte mal jemand…

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