Die Satzzeichen

Mach mal Pause: Exkurs zu Satzzeichen

Manche Blog-Texte sehen aus, als wären die Satzzeichen mit dem Salzstreuer gesät worden. Folgendes sei aber allen lernunwilligen Spontis unter den Schreibern gesagt: Gut gesetzte Satzzeichen sind Lesehilfen, falsch gesetzte Satzzeichen sind dagegen Lesehindernisse, die den gutwilligsten Leser aus dem Text schmeißen. Positiv gewendet: Mit intelligent platzierten Satzzeichen sorgen wir für Traffic in unserem Blog-Beritt.

Abhilfe ist eigentlich ganz einfach. Ich will auch niemanden mit ehrwürdigen Duden-Regeln nerven: „Das Komma steht, wenn eine nachgestellte genauere Bestimmung von «und zwar» oder «und das» eingeleitet wird“. Denn diese altehrwürdige Form der Vermittlung grammatischer Gesetze vernichtet jede Freude am Schreiben. Vermutlich glaubt der stolze Verfasser sogar, dass – außer den Deutschlehrern – irgendjemand jemals solche Regeln auswendig lernen würde.

Ich will hier über drei grundlegende Funktionen von Satzzeichen öffentlich nachdenken, wodurch schon eine ganze Menge Klarheit zu schaffen ist:

1. Lesehilfe: Zunächst einmal erläutern Satzzeichen dem Leser die Satzstruktur. Betrachten Sie zum Beispiel diesen Text aus Hans Reimanns Zeiten: «Plötzlich stand ein Mensch vor mir auf dem Kopfe, einen steifen Hut an den Füßen, zerrissene Schuhe in der Hand, einen dicken Stock im Munde, eine erloschene Zigarre in finsteres Schweigen gehüllt.» Die aus Scherz hier «falsch» gesetzten Kommata erzeugen den Eindruck eines Gaga-Textes, ein Eindruck, der sich durch die Korrektur der Zeichensetzung schnell berichtigen lässt: «Plötzlich stand ein Mensch vor mir, auf dem Kopfe einen steifen Hut, an den Füßen zerrissene Schuhe, in der Hand einen dicken Stock, im Munde eine erloschene Zigarre, in finsteres Schweigen gehüllt.» Satzzeichen gliedern also den Satz in sinnvolle Lesehäppchen, die dem Leser die Lektüre angenehm einfach machen.

2. Gedankenhilfe: Satzzeichen sind keineswegs „nichtssagend“, sie tragen Bedeutung wie Wörter auch. Satzzeichen signalisieren, wie es sich mit der gedanklichen Logik in einem Satz verhält. Wir unterscheiden bei allen Satzzeichen zwei Kategorien: solche, die einen Gedanken beenden („Punkt“, „Ausrufezeichen“ und „Absatz“), und solche, die einen Gedanken fortsetzen („Komma“, „Doppelpunkt“, „Fragezeichen“ und – auf der roten Liste bedrohter Arten – das „Semikolon“). Die letzten vier Zeichen erläutern dem Leser: Halt, der Gedanke ist noch nicht zu Ende, ein weiterer Aspekt schließt sich an. Jedes Fragezeichen erfordert eine Antwort, jeder Doppelpunkt öffnet eine Tür zum folgenden Text. Während andererseits Punkte und Ausrufezeichen (auch «Brüllstangen» genannt, und in sachlichen Texten tunlichst zu vermeiden) einen Gedanken beenden. Der Absatz schließt sogar einen ganzen Gedankenkomplex und wendet sich einem neuen Thema zu. Der Leser versteht auf Grund seiner Lektüreerfahrung diese Hinweise, er speichert ab und wendet sich einem neuen Sachverhalt zu. Genau wie wir jetzt hier…

3. Rhythmushilfe: Last not least haben Satzzeichen eine dritte Funktion, die mit den Pausenzeichen in der Notenschrift zu vergleichen ist. Ein Punkt erzwingt bei der Lektüre einen Ganzton Pause, ein Komma einen Halbton. In fast jedem deutschen Satz, wenn er nicht besonders vertrackt gebaut ist, lässt sich mit Hilfe der Sprechprobe eine fast perfekte Zeichensetzung erreichen, indem man nämlich schaut, an welchen Stellen mache ich beim Sprechen unwillkürlich eine kurze Pause, um dann die kurzen Sprechpausen mit einem Komma zu füllen und an den größeren einen Punkt zu machen. Hier die Probe: «In fast jedem deutschen Satz [kurze Pause] wenn er nicht besonders vertrackt gebaut ist [kurze Pause] lässt sich mit Hilfe der Sprechprobe eine fast perfekte Zeichensetzung erreichen [kurze Pause] indem man nämlich schaut [kurze Pause] an welchen Stellen mache ich beim Sprechen unwillkürlich eine kurze Pause [kurze Pause] um dann die kurzen Sprechpausen mit einem Komma zu füllen und an den größeren einen Punkt zu machen [große Pause]».

Natürlich gibt es Abweichungen von diesen Prinzipien, aber ich bin der festen Überzeugung, dass sich mit unserem Dreisatz schnell eine halbwegs korrekte Zeichensetzung erreichen lässt, die für den Blog-Alltag taugt. Ganz ohne das sture Bimsen von Ausnahmen und Regeln, die sich mit gleich- oder ungleichrangigen Nebensätzen beschäftigen. Und das wäre doch schon viel.

Hier noch ein altes Gedicht zum Spielen:

«Es schrieb ein Mann an eine Wand:

Zehn Finger hab‘ ich an jeder Hand

Fünf und zwanzig an Händen und Füßen.

Wer’s lesen will, wird Zeichen setzen müssen.»

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6 Meinungen

  1. Ich finde das, musste mal gesagt werden!

  2. Ach, wären meine Deutschlehrer doch so einfallsreich gewesen, ich könnte wetten, meine Zeichsetzung wäre besser.

  3. Das Rhythmusgefühl, welches die Sprechprobe ermöglicht, geht nach meiner Einschätzung zunehmend verloren. Bücher liest ja eh keiner mehr, aber wenn sich selbst die Nachrichtensendungen und -magazine eines atemlosen SMS-Geplappers bedienen, ist irgendwann kein Anschauungs- bzw. Anhörungsmaterial mehr da. Heute reicht es ja, seine «Meinung» in Form von Phrasen, Satzfetzen und ein paar eingestreuten … ääääh … ach ja, «also finde ich zumindest» … Sie wissen doch, was ich meine?

  4. Du meinst, das Rhythmusgefühl wäre erst wegelagerisch „gefeldbuscht“, die Reste dann in alle Winde „zerstoibert“ worden?

  5. Ja. Und von den Radiomoderatoren sprechen wir besser gar nicht.Übrigens, gibts hier auch einen automatisierten Login?

  6. Mir als Schreiber hat man einen Auto-Login zugesandt. Wie das technisch ansonsten gehandhabt wird, das weiß ich auch nicht. Am besten mit der „Verwaltung“ von germanblogs Kontakt aufnehmen …

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