Die Relegationsspiele der EM-Qualifikation: Nachsitzen für Europa

Am kommenden Freitag und am nächsten Dienstag fallen die Entscheidungen der Relegationsspiele über die letzten vier verbleibenden Tickets für die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. 8 Mannschaften, die in den Gruppen der EM-Qualifikation gut, aber nicht sehr gut abgeschnitten haben, können in je zwei Spielen den Traum vom großen Turnier verwirklichen oder werden kurz vor dem Ziel knapp scheitern.

Die Relegationsspiele: Bosnien-Herzegowina gegen Portugal

Diese Begegnung gab es vor zwei Jahren schon einmal. Damals bestritten Bosnier und Portugiesen die Relegationsspiele für die WM in Südafrika. Portugal gewann beide Partien insgesamt etwas glücklich mit jeweils 1:0. Dass die Selecao erneut die direkte Qualifikation gegenüber Dänemark verpasst hat, ist für das Team um Superstar Cristiano Ronaldo eine herbe Enttäuschung. Zuviele leichte Punktverluste, darunter das 4:4 gegen Zypern und schließlich die entscheidende 1:2-Niederlage in Kopenhagen sorgten dafür, dass die Portugiesen nicht an den Nordeuropäern vorbei kamen. Gegen Bosnien dürfte es diesmal noch etwas schwieriger werden. Das Team vom Balkan überzeugte in der Gruppenphase weitestgehend und kam nur an den Franzosen nicht vorbei. Im entscheidenden Spiel in Paris führte Bosnien durch den überragenden Edin Dzeko schon mit 1:0, bevor ein Elfmeter die „Equipe Tricolore“ eine Viertelstunde vor dem Ende rettete. Nun geht es also erneut gegen Angstgegner Portugal in die Relegation.

Prognose: Bosnien und Portugal leben beide von ihren größten Stars Dzeko und Ronaldo. Dabei haben beide Teams auch weitere Könner in ihren Reihen, die oft im Schatten bleiben. Portugal ist natürlich Favorit, kommt mit dieser Rolle aber nicht immer zurecht. Sollten die Bosnier wie gegen Frankreich mutig aufspielen und ihre Chancen nutzen, ist eine Überraschung drin. Dies gilt vor allem, wenn im Hinspiel ein Sieg vorgelegt wird und die Portugiesen vor heimischen Publikum den Druck des Gewinnens verspüren. Bosnien-Herzegovina siegt daheim mit 2:1 und schafft imAuswärtsspiel ein schmeichelhaftes 0:0, das das überraschende EM-Ticket bedeutet.

Türkei gegen Kroatien 

Zwei Heißsporn-Mannschaften treten gegeneinander an, doch nur eine kann gewinnen. Beide Teams taten sich schon fast traditionell in der Qualifikation schwer, doch wenn sie einmal bei einem Turnier dabei sind, können sie zu großen Taten fähig sein. Bestes Beispiel ist die letzte Europameisterschaft, als die Kroaten ohne Punktverlust und mit einem Sieg gegen Deutschland durch die Vorrunde marschierten. Im Viertelfinale wartete dann allerdings: Richtig – Die Türkei! Und die Mannen vom Bosporus waren 2008 die Stehaufmänner des Turniers. Dreimal drehten sie kurz vor Ende einer Partie noch auf und gewannen – so auch gegen Kroatien in unglaublicher Art und Weise. Ivan Klasnic hatte die Männer vom Balkan in der 119. Minute in Führung gebracht. Doch das war nicht die Entscheidung, denn die Türkei schlug durch Semih Sentürk nur eine Minute später zurückund gewann das anschließende Elfmeterschießen. Nach großem Kampf war für die Türken schließlich im Halbfinale gegen Deutschland Schluss.

Bei der letzten WM hatte man dagegen sowohl die Türkei als auch Kroatien vergeblich erwartet und auch dieses Mal wird es aso nur ein Team von beiden schaffen. Obwohl jeweils Zweiter sind die Qualifikationsspiele bisher recht unterschiedlich verlaufen. Die Türkei hatte in ihrer Gruppe erneut mit den Deutschen zu tun. Die Halbmonde begriffen dabei recht schnell, dass es für sie nicht um den Gruppensieg  sondern gegen Belgien und Österreich nur um den zweiten Platz gehen konnte. Diesen erreichten sie dann auch einigermaßen glücklich, denn nur selten gab es ein wirklich herausragendes Spiel. Entscheidend war aber, dass die Türken keines der Spiele gegen die direkten Konkurrenten verlor und zu Hause 3:2 gegen Belgien und 2:0 gegen Österreich gewann. So konnte die peinliche 0:1-Pleite in Aserbaidschan aufgewogen werden.

Kroatien muss sich dagegen ärgern, nicht schon direkt qualifiziert zu sein. Die Gruppe F war von Anfang an ein Zweikampf mit den Griechen und zwei Spiele vor Ende hatten die Kroaten alle Trümpfe in der Hand. Vor dem entscheidenden Auswärtsspiel in Athen brauchte man nur ein Unentschieden und einen anschließenden Heimsieg gegen Lettland, um den ersten Gruppenplatz zu behaupten. Doch gegen Ende eines schwachen Spiels ließ sich der WM-Dritte von 1998 von den Griechen übertölpeln und verlor 0:2. So heißt es also ohne besondere Not: Nachsitzen für Europa!

Prognose: Auch wenn die Türken einen gewissen moralischen Vorteil haben: gegen Kroatien werden sie am Ende den Kürzeren ziehen. Zu wenig überzeugend waren die Leistungen in einer nur mittelschweren Gruppe. Kroatien hat sich dagegen bislang selbst geschlagen und das wird ihnen gegen die Türkei nicht nochmals passieren. Nach einem 1:1 in Istanbul reicht im Rückspiel ein leicht und lockeres 2:0 für Kroatien.

Tschechien gegen Montenegro 

Die bisher vorgestellten Partien werden voraussichtlich auf Augenhöhe gespielt und in recht engen Partien entschieden werden. Doch es gibt auch zwei krasse Außenseiter, die mit den Relegationsspielen für die EM 2012 schon den bisher größten Erfolg ihrer noch jungen Fußballgeschichte gefeiert haben. Einer von ihnen ist der kleine Balkanstaat Montenegro. Besonders jung trifft auf die Montenegriner im Besonderen zu, denn sie bestreiten überhaupt erst ihre zweite Qualifikation nach der auch fußballerischen Unabhängigkeit. Und die Ergebnisse waren bisher ganz herausragend: Die Schweiz, Wales und Bulgarien ließ man hinter sich und kassierte in 8 Spielen nur 7 Gegentreffer und ganze 2 Niederlagen, von denen die letzte in der Schweiz bedeutungslos war, da man schon den zweiten Platz sicher hatte. Nur England blieb vor dem kleinen Montenegro, das aber keines der Spiele gegen das Mutterland des Fußballs verlor. In London gab es ein viel umjubeltes 0:0 und daheim reichte der späte 2:2-Ausgleich, um vorzeitig die Relegation abzusichern. So gestärkt bleibt den Montenegrinern mehr als eine Außenseiterchance gegen die Tschechen.

Die großen Zeiten des EM-Halbfinalisten von 2004, als Karel Poborsky, Pavel Nedved, Tomas Rosicky und Jan Koller die großen Stars waren, sind erstmal vorbei in unserem südöstlichen Nachbarland. Mit großer Mühe schafften die Tschechen in ihrer Gruppe Platz 2. Spanien war in der derzeitigen Form natürlich unerreichbar. Doch auch die anderen Gegner Schottand, Litauen und Liechtenstein, welche allesamt maximal drittklassiges Format hatten, wurden nur unter großen Anstrengungen niedergekämpft. Immerhin gab es ein überlebenswichtiges 2:2 in Glasgow und am Ende ein überzeugendes 4:1 in Litauen, das die 0:1-Hinspielpleite vergessen machte. Dennoch werden sich die Tschechen anstrengen müssen, um auch gegen Montenegro zu bestehen.

Prognose: Montenegro schafft die Riesenüberraschung und somit den Sprung nach Polen und in die Ukraine. Es nimmt den Schwung aus den Qualifikationspielen mit und lässt sich von der knappen 0:1-Niederlage in Tschechien nicht beeindrucken. Im Rückspiel gibt es ein 1:0 und schließlich einen Triumph im entscheidenden Elfmeterschießen..

Estland gegen Irland

Der nördlichste Baltikstaat greift zu den europäischen Sternen. Völlig überraschend schaffte Estland in einer hinter den souveränen Italienern ausgeglichenen Gruppe den zweiten Gruppenplatz mit hauchdünnem Vorsprung vor den Serben und Slowenen. 5 Siege und 4 Niederlagen in 10 Spielen sind freilich kein absolutes Ruhmesblatt und zeigen auch wie abhängig die Esten von den Ergebnissen der anderen waren. Doch Siege in Serbien und Slowenien sowie zwei starke Erfolge gegen Nordirland konnten am Ende sogar die peinliche 0:2-Pleite bei den Färöer-Inseln ausgleichen. Nun geht es gegen die Iren tatsächlich um den Einzug in die EM-Endrunde.

Irland kann erstmals seit 1988 wieder eine Europameisterschaft erreichen und auf der grünen Insel wird ein großes Turnier nach vielen vergeblichen Anläufen in den letzten Jahren auch sehnlichst erwartet. Giovanni Trapattoni passt jedenfalls sehr gut als irischer Nationaltrainer. Kontrollierte italienische Defensive, irische Kampfkraft und Leidenschaft lassen sich offenbar hervorragend kombinieren. Schon vor der WM 2010 war „Trap“ mit Irland auf einem guten Weg und scheiterte nur durch ein unsägliches Handspiel Thierry Henrys in der Relegation gegen Frankreich. In der laufenden Qualifikation hat Irland keine Bäume ausgerissen, aber die entscheidenden Spiele gewonnen, um zumindest Platz zwei zu erreichen.

Prognose: Irland spielt unter Trapattoni abgeklärt und ist zu heimstark, um sich von den auswärts frech aufspielenden Esten überraschen zu lassen. Für das sehr formschwankende Estland kommt diese EM noch etwas zu früh. In Talinn siegen die Iren bereits mit 2:1 und lassen das gleiche Ergebnis in Dublin folgen.

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