Die Krise der FDP: Was wird aus den Liberalen?

Am 27.09.2009 war die FDP auf dem Höhepunkt ihres Bestehens angelangt. Mit 14,6 % erreichte sie das beste Wahlergebnis bei einer Bundestagswahl jemals und durfte erstmals seit 1998 wieder an der Regierung teilhaben. CDU/CSU und FDP schlossen zügig den von beiden Parteien lang ersehnten Koalitionsvertrag.

Vor der FDP-Krise: Ursachen für den Erfolg bei der Bundestagswahl 2009

Es ist nicht ganz einfach, die Gründe zu benennen, weshalb die Partei um Westerwelle, Brüderle und Niebel vor zwei Jahren derart erfolgreich war. Einerseits war es eine Bundestagswahl, bei der die SPD massiv für ihr 11-jähriges Regierungshandeln mit den Grünen und der CDU abgestraft wurde. Die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Steinmeier wirkten ausgesprochen profillos und brachten keine überzeugenden Ideen für die Zukunft. Vielleicht hatten sie sich ein wenig „müde regiert“. Währenddessen hielt sich die CDU/CSU einigermaßen stabil, was auf eine relativ wohlwollende Haltung der Bundesbürger gegenüber Angela Merke schließen ließ. Und der einzig realistische Koalitionspartner neben der SPD waren nun einmal die Liberalen. Wer also einen Politikwechsel mit Merkel wollte, entschied sich mitunter dafür, seine Zweitstimme bei Gelb abzugeben.

Bei der Betrachtung der Wahlinhalte mag der hohe Zuspruch der wenig sozial ausgerichteten FDP angesichts der immer größer werdenden Einkommensschere zwischen Arm und Reich verwundern. Wahrscheinlich waren es in erster Linie die Ereignisse rund um die Finanzkrise, die die Wähler dazu veranlassten Westerwelle & Co. ihre Stimme zu geben. Den Liberalen wurde einfach am stärksten zugetraut, durch ihre Kernkompetenzen den massiven wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, obwohl es gerade die etwas naive Marktgläubigkeit der Politik war, durch welche die Finanzkrise erst mit verursacht wurde. Doch die durch SPD und CDU/CSU notwendigerweise verabschiedeten Rettungspakete für die Finanzmärkte schreckten offenbar einige Bürger ab, die mit einer solchen Verwendung ihrer Steuergelder nicht einverstanden waren. Des weiteren war die Wahlbeteiligung mit 70,78 % so gering wie niemals zuvor und für gewöhnlich profitieren kleinere Parteien von geringen Wählerzahlen, wobei der Unterschied zwischen „klein“ und „groß“ aktuell immer mehr zu verwischen scheint.

Gründe für den Rutsch in die FDP-Krise

So rasant der Aufstieg, so jäh war der nun folgende Absturz. Kaum hatte das Wahlvolk die Liberalen in die Regierungsverantwortung gehoben, stellte es in der Folgezeit offenbar fest, wie illusorisch und wenig förderlich für die unteren Bevölkerungsschichten deren Wahlprogramm war. In Sachsen-Anhalt, Bremen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sind die Freien Demokraten nicht mehr im Länderparlament vertreten, nachdem sie Anfang des Jahres 2011 noch Sitze in allen deutschen Landtagen inne hatte. Und auch auf Bundesebene rutschten sie mehr und mehr ab. Das Ausmaß der Finanzmarktkrise wird im Zusammenhang mit exorbitant wachsenden Schuldenständen in den EU-Staatshaushalten und der ins Schlingern geratenen südlichen Euroländern erst richtig deutlich. Eine marktradikal auftretende Partie wie die FDP hat es in diesen Zeiten natürlich nicht leicht.

Außerdem wirkte es wenig professionell wenn während des zwischenzeitlichen Wirtschaftsaufschwungs immer wieder die zentrale Forderung nach Steuersenkungen bemüht wurde, anstatt die Entschuldung des deutschen Bundeshaushaltes voranzutreiben. Aber auch die anderen Programminhalte wie die Entsozialisierung des Gesundheitssystems, die Unterstützung der kapitalgedeckten Altersvorsorge und die Ablehnung des Mindestlohns sorgen für zunehmende Entrüstung der Bürger und Ernüchterung in der Parteispitze. Zieht man die geringe Anpassungsfähigkeit und die wenig bedürfnisorientierte Politik in Betracht, kann man den freien Demokraten daher durchaus Konzeptlosigkeit vorwerfen.

Das Ende von Guido Westerwelle als Parteichef

Parallel gewannen die Grünen als „natürlicher Rivale“ der Liberalen in den Wahlumfragen stark hinzu. Ihre Themen rund um Atomausstieg und Klimaschutz rückten im vergangenen Jahr in den Vordergrund und sorgten dafür, dass sie in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann soagar den Ministerpräsidenten stellen konnten.

Außerdem gelang es der FDP nur selten, ihre Wahlinhalte gegenüber CDU/CSU auch durchzusetzen. Uneinigkeit in der Regierungskoalition kommt beim deutschen Bürger traditionell nicht gut an und wurde in erster Linie dem kleinen Partner angelastet, der schließlich eine Personalveränderung vornahm. Guido Westerwelle wurde als Parteichef abgesetzt, Rainer Brüderle übernahm dessen Sitz auf Fraktionsebene, während Philipp Rösler auf den Platz des Wirtschaftsministers vorrückte und überdies nun den Bundesparteivorsitz bekleidet. Allgemein lässt sich aber wohl nicht bestreiten, dass es in den Reihen der FDP an charismatischen Typen mangelt, denen man abnimmt, dass sie etwas bewegen können.

Unsichere Zukunft bei der FDP

Und so geschah es, dass die FDP nur 2 Jahre nach ihrem Höhepunkt an einem Tiefpunkt angelangt ist, wobei noch nicht absehbar ist, ob dieser Punkt tatsächlich schon das Ende der Talfahrt bedeutet und wie lange die FDP-Krise noch andauern wird. Eine Menge muss passieren bei den Gelben, will man die Wende schaffen und Wählergunst zurückgewinnen, die zumindest zum Einzug in den nächsten Bundestag berechtigt. Rein hypothetisch gedacht: Sollten die aktuelle von den Grünen geforderte Neuwahlen tatsächlich kommen, bliebe die FDP wohl derzeit außen vor – ein Umstand, den es in 62 Jahren Bundesrepublik noch nie gegeben hat.

Angesichts der relativen Führungslosigkeit der Freien Demokraten ist eine Erholung der Umfragewerte so bald nicht abzusehen. Helfen könnte eine Veränderung der weltpolitischen und -wirtschaftlichen Lage, in deren Zuge Politikbereiche, in denen die FDP stark ist, wieder bedeutsamer werden. Langfristig führt aber wahrscheinlich kein Weg an einer Umstrukturierung vorbei. Der Austausch von Personen ist weitgehend wirkungslos geblieben. Nun muss über die Programminhalte neu diskutiert werden. Freilich wird es kompliziert, sich inhaltlich wieder stärker an den Bedürfnissen der Bürger aufzustellen, ohne dabei Politikfelder oder Positionen einzunehmen, die schon von anderen Parteien besetzt sind. Doch die zuletzt gewählte Taktik, vor Wahlen mit starken Sprüchen und polarisierenden Meinungen an Popularität zu gewinnen, hat sich glücklicherweise nicht als erfolgreich herausgestellt. Die FDP scheint der Regierungsposition nicht gewachsen zu sein und sollte zur Konsolidierung und Neuorientierung zurück in die Opposition rücken. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Stimmenanteil der Liberalen bei der nächsten Bundestagswahl überhaupt ausreicht, um Sitze im Parlament zu erhalten. Die FDP-Krise dürfte in jedem Fall noch eine Weile anhalten.

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4 Meinungen

  1. Naja die Zeit der FDP ist langsam auch vorbei.

  2. Der Niedergang der FDP ist eine klare Absage an ihre neoliberale, assoziale dogmatisch-ideologische Ausrichtung. Die Menschen haben genug von Deregulierung, Privatisierung, Ausweitung des Niederiglohnsektors, Aushöhlung des Staates und Sozialstaates.Wenn die FDP im Abort verschwindet, so ist dies wahrlich kein Verlust.

  3. Für die FDP kann man nur schwarz sehen. Die Chance bei der nächsten Bundestagswahl rauszufliegen ist schon sehr groß. Rössler und Co. habe dann ja genug Zeit um Politik Tycoon (http://www.politik-tycoon.de/) spielen.Derzeit sieht es so aus als wenn die Piratenpartei das Fünf Pareien System vortführt. Dadurch ist für die FDP kein Platz mehr.

  4. Die Piratenpartei scheint momentan die einzige Alternative, wenn man vor lauter schlechter Konsens- und Klientelpolitik dem bereits korrumpierten Parlament eine Gegenmacht entgegen setzen möchte.
    Nur die Piraten haben (bisher) Wort gehalten und sich stets kritisch für Transparenz eingesetzt.
    Etwas das wir leider von den Grünen heute auch nicht mehr so sagen können.

    Ob es auf Dauer hält ?
    Die FDP jedenfalls (mit Ihrer spätrömisch dekadenten Führungsgarde aus jugendlichen Schlippsträger) sollte wohl besser an Bohlens Sanges und Gut-Ausseh-Wettbewerben teilnehmen. Für mehr wird es wohl kaum mehr reichen.

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