Das Jahr in Musik: Die besten Alben, Trends und Newcomer 2011

Eins vorweg: die ganz großen des Musikbusiness schwächelten dieses Jahr maßgeblich, weshalb der Charts-Anteil dieses musikalischen Rückblickes auch etwas kritischer ausfallen wird, dafür gibt es aber Fundstücke, die man unbedingt auch ins Jahr 2012 mitnehmen sollte, also aufgepasst und hingehört.

Musik 2011: Der Mainstream Pop enttäuscht

Lady Gaga, Nicki Minaj, Katy Perry – sie alle wollten bunter, gewagter und individueller sein, verschmolzen irgendwann zu einer klebrigen Discokugel aus geometrischen Formen, Lippenstift und Haarteilen, die selbst auf einem Dragqueen-Fashing überzogen wirken würden. Das allein hätte mich ja nicht gestört, wenn daraus wenigstens musikalisch etwas geworden wäre.

Aber nein, abgesehen von einigen guten Singles (darunter Gagas „Edge of Glory“, das in der Pianoversion aber besser funktioniert und Katy Perrys „Firework“, ein Ohrwurm der Extraklasse ob man das nun mag oder nicht, sowie Beyonces fem-Hymne „Run the world“), waren die dazu gehörenden Alben enttäuschend, sogar RnB Queen Beyonce schaffte es nicht, ihren neu entdeckten Freak qualitativ auf ihren Songs scheinen zu lassen, einige Singles und mehr Füllmaterial, als zur Verschiffung einer Elefantenherde nötig ist.

Stattdessen mussten sich all diese Damen von einem britischen Juwel zeigen lassen, dass Hochglanzproduktion und Feuerwerke nicht alles sind.

Adele stahl allen die Show, indem sie ihre Songs des zweiten Albums „21“ einfach nur vortrug: ehrlich und verletzlich, ohne große Show. Das scheinen auch die Fans zu wollen, ein wenig mehr Nähe und Emotionalität, zumal der Overload an Bühnenshows auch zu einer Überreizung geführt hat.

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Die großen Rocker enttäuschen ebenfalls

Foo Fighters, Red Hot Chili Peppers und die Strokes – sie alle schafften es leider nicht, die diesjährigen Veröffentlichungen glänzen zu lassen. Gut, solchen Stadionbands dürfte es reichlich egal sein, da sie immer noch genug verkaufen, aber es mangelte vorwiegend an Innovation und dem Mut, sich selbst heraus zu fordern, so dass man im Gross einen wenig überzeugenden Abwasch ihrer früheren Erfolge auf den 2011er Alben fand.
Incubus gehören eigentlich auch in diese Liste, allerdings schafften sie mit „Adolescent“ einen weiteren dieser Songs, der sich im Kopf einbrennt, zumal ihr „In the Company of Wolves“ aufzeigte, dass sie sehr wohl in der Lage sind, sich den Wolf zu experimentieren, aber anscheinend derzeit keine Muße haben, das ein Album lang durch zu ziehen (obwohl das sicherlich interessant wäre).

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Einzig Radiohead lieferten mit „King of Limbs“ ein Album ab, das Gänsehaut verschaffte, was nicht nur an der Experimentierfreude, sondern auch Radioheads groß angelegter Kritik an Majorlabels liegen mag. Kombiniert mit cleveren, alternativen Wegen, ihre Alben zu vertreiben, schafften sie damit nicht nur ein musikalisches Glanzstück, sondern auch noch ein Statement zur aktuellen Musikindustrie.

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Independent ist IN

Das waren also die großen Spieler dieses Jahr, aber verzweifeln sollte man darüber nicht, denn wie so oft finden sich die wahren Schätze ein wenig versteckt und abseits. So schaffte Laura Marling mit ihrem nunmehr dritten Album (nicht ein Jahr nach ihrem letzten Album „I speak because I can“) einen zeitlosen Klassiker, wenn man das so vermessen einige Monate nach Release sagen kann.

Traditionelle Folkelemente, emotionale Katharsis durch die überzeugend erzählten Geschichten Marlings und eine stimmliche Weiterentwicklung, die nicht selten an Joni Mitchell erinnert. „A Creature I don't know“ ist definitiv eines der besten Alben dieses Jahr und ringt Elbow und ihrer Schönheit „Build a Rocket Boys!“ beinahe den Rang der besten Indie Künstler 2011 ab.

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Dem kann sich auch Dan Mangan mit seinem ebenfalls dritten Werk „Oh Fortune“ anschließen, das opulent mit Orchester unterlegte Folkalbum ist typisch kanadisch fernab der Klischees, vereint Rock, Songwriterelemente und 40er Jahre Liebeslieder mit der aufmerksamen Feder Dan Mangans, der die Welt kritisch und liebevoll reflektiert.

Dabei stellt er Fragen, rüttelt auf und motiviert Gelegenheiten zu ergreifen und sich gegenüber ehrlich zu sein. Den überaus charmanten Bühnenshows sollte man sich 2012 auf keinen Fall entziehen.

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Psychedelisch und Retro – Alternative Musik 2011

Was vor einigen Jahren der Retrorock a la The Strokes war, greift jetzt tiefer um sich, aber sehr viel verschwurbelter, denn mit Bands wie den australischen Tame Impala, den kanadischen Barr Brothers, den texanischen White Denim oder US Royalty aus Washington fanden sich dieses Jahr diverse Musiker ein, die das psychedelic in Psychedelic Rock vollkommen auskosteten und bunte, tiefgreifende 70er Rockmonster schrieben, die besonders Progfans den ein oder anderen wohligen Schauer verpassten.

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Im tiefen Dschungel der Alternative und Metal Bands wurde es dieses Jahr auch interessant, neben dem lange erwarteten Mastodon Album und dadurch einer ordentlichen Breitseite an Metalhymnen (ausnahmsweise einmal ohne Konzept), musizierten sich Metallica mit Lou Reed in die Künstlerecke, die nur von absoluten Hardcorefans besetzt ist, der Rest entschied unisono: ambitioniert aber völlig fehlgegriffen, was man den entsetzten Gesichtern bei der Live Show ansehen konnte:

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Viel schöner waren dafür True Widow aus Texas, die mit dicht gewobenen Doom Songs mit leichten Melodien und Gesangslinien für reichlich Atmosphäre sorgten. Texanisch klangen auch die britischen The Duke Spirit, deren nunmehr drittes Album wie aus den Tiefen der Joshua Trees entstanden klang und damit heiße, teils auch sehr sinnliche Rocknummern hervor brachte.
Zuletzt und vielleicht sogar allen voran musizierte sich jedoch das Duo Wye Oak aus Baltimore an die Spitze, mit alternativem, 90er Jahre Gitarrengeschrammel, Jenn Wasners kräftiger Stimme und einem Multiinstrumentalisten an Schlagzeug/Keyboard gelang ihnen mit ihrem Album „Civilian“ ein absoluter Geniestreich.

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Skandinavien und Finnland zeigen nordische Kleinodien

Was für ein Jahr für die Finnen, die den Skandinaviern Konkurrenz machen, wieder einmal zeigte sich, dass die musikalische Förderung in den Schulen weiterhin ihre Früchte trägt, so dass etliche Newcomer 2011 aus diesen nördlichen Ländern kamen.

So schafften es etwa die Dänen When Saints go Machine, mit ihrem Debüt „Konkylie“, ungemein experimentelle Songs so grandios zusammen zu bauen, dass sie dennoch perfekt auf jeder Tanzfläche funktionierten, sowas nennt man dann wohl „Indie Artpop“.

Robyn feierte ihren Durchbruch in den USA, was in Europa ausnahmsweise als lange überfällig angesehen wurde, dafür feierte Finnland seinen Durchbruch in Deutschland, denn dort fanden sich mit Who Knew und Rubik knackige Indiepop Bands vor, die schillernd, poppig und vor allem sehr gut gelaunt daher kamen und allgemein für euphorische Live Shows sorgten.
Ein kleiner Liebling auf Livekonzerten waren außerdem die gefühlt 100 Mitglieder der Teenage-Band Retro Stefson, die ihre gemixten kulturellen Hintergründe in ihre von Electro und Dance inspirierten Popsongs einfließen ließen.

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Hipsterbands reißen nicht ab

Nein, hier wird nicht gegen Hipster gewettert, denn auch wenn ihre Kleidung manchmal zu Neon-gelb, ihre Haarbänder manchmal zu eng und ihre gelangweilten Mienen zu enervierend sind, Hipsterbands bleiben musikalisch interessant, weshalb wir einen kleinen Blick auf die Top 3 Acts dieses Jahr werfen wollen:

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1. Austra – Aus Kanada kommen sonst nur bärtige Bands oder riesige Musikerkombos, daher erschreckt uns diese Synthpop Band ein wenig, die sehen alle so glatt und stylish aus, doch vor allem durch Katie Stelmanis und ihrer enormen Stimme hat sich das Debütalbum „Feel it break“ tief in die Blogosphere eingefressen und wird es sicher auch noch weiter in die Radios schaffen.

2. Supershirt – die Audiolith Krawallmacher haben vorerst ihre Knicklichter zuhause gelassen und mit „Kunstwerk“ gezeigt, dass sie nicht nur Dancy-Eintagsfliegen auf der Deichkind-Welle waren, sondern vorhaben, sich in unseren Gehörgängen einzunisten. Auf den Konzerten brennt schon die Luft und die Radioröhren freuen sich auch schon auf die Tanzgranaten, die von den Rostockern auf die wehrlosen Fans abgefeuert werden.

3. Dye it Blonde – Die jungen Hüpfer aus LA gehören nicht wirklich in die Szene der experimentellen Electrobands, denn Dye It Blonde reihen sich eher in die Shoegazer Ecke ein und streuen dafür auch noch ein paar Surfersounds mit hinein. Ihr zweites Album ist etwas glatter produziert und sicher nicht so interessant, wie erwartet, aber genau das ist ja nicht selten beliebter als exzentrische Seitensprünge.

Awolnation – der Geheimtipp für Europa

Was in Amerika groß gefeiert wird, braucht in Deutschland, bzw. Europa manchmal einfach länger. So kann man es wohl vorerst verzeihen, dass das großartige Popspektakel „Megalithic Symphonies“ von Awolnation aka Aaaron Bruno weitesgehend ignoriert wurde. Aber ich wiederhole, besseren Pop hat man dieses Jahr nicht gehört, vielleicht noch nicht einmal nächstes Jahr. Daher sollte man sich unbedingt aufmachen und zu „Sail“, „Guilty Filthy Soul“ und „Knights of Shame“ das Tanzbein schwingen, denn aufregender, euphorischer, eklektischer und poppiger konnte Musik 2011 nicht werden.

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Tipps für Musiker, die 2012 ganz groß werden

Gotye, dessen 2011er Album hier erst jetzt veröffentlicht wurde, weshalb der Australier (in Belgien geboren) sich wohl nächstes Jahr auf einige Medienpräsenz gefasst machen kann, immerhin gehört „Somebody that I used to know“ schon jetzt zu den Lieblingssongs diverser Blogger und läuft auch schon auf den Radiosendern, die für gewöhnlich nicht mehr als 20 Songs pro Tag laufen haben.

Dan Mangan verdient den Erfolg nicht nur wegen seiner grandiosen Musik, sondern auch ob seiner entspannten und einfach nur ehrlichen Person.

You say France & I Whistle bringen erst im Januar ihr Debüt heraus, aber ihr jolly Indiepop läuft schon auf diversen Indiepartys an, weshalb es nur eine Frage der Zeit ist, bis man sie auch in allen möglichen Soundtracks hört, wenn es um klopfende Herzen und Blumenwiesen geht.

Boy & Bear, die schon mit Mumford & Sons und Laura Marling tourten und beweisen, dass Australien ein ernst zu nehmendes Exportland großartiger Musiker geworden ist. Mit entspannten Folksongs, die leichtfüßig über die Prärie gallopieren, kann man sich so lächelnd in den Sommer 2012 hinüber retten.

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Ein spannendes Jahr und dieser Rückblick hat wahrscheinlich nicht einmal angerissen, was noch so alles durch die Boxen der Autorin lief, aber eventuell findet ihr ja einige Geheimtipps oder längst vergessene Lieblinge, die auch 2012 noch erfreuen.

Damit ein hoffentlich genauso aufregendes 2012,

Juliane

PS: Unsere aktuellen Lieblingssongs, Nachrichten und Newcomer gibt es übrigens auch auf unserer Facebook Seite zu entdecken. Liken und reinhören.

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4 Meinungen

  1. Nette Zusammenstellung. Aber die Frau heißt Katy Perry und nicht Kate.

  2. Wurde korrigiert, dankeschön!

  3. Ach, echt toll, super Blog hier habe echt mal wieder neue toller künsler endeckt,! Die Musikrichtung die sich die Jahren, so anhäufen!! Und doch bleit man ständig irgendwie bei seinem favoriten hängen. Doch heute nehme ich (Hipsterbands) in meine neue liste auf. Yah

  4. Gerade Finnland sollte man nicht unterschätzen!

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