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Wir wussten es immer schon: Börsennachrichten sind für anspruchsvolle Schreiber viel zu simpel. Das ist auch der letzte Trost, betrachtet man sich die neusten Entwicklungen bei automatisierter Media-Production. Ich schreibe zwar sehr schnell, aber die 0,3 Sekunden, die Software bei Thomson Financial benötigt, um aus den eingehenden Nachrichten eine Story zurechtzuzimmern, ermöglicht mir kein noch so starker Espresso.

Thomson investierte rund 200.000 Dollar pro Artikeltypus, um Software zu erzeugen, die automatische Artikel generiert. Die wirken zwar noch etwas standardisiert, aber zum einen ist das eine Frage des stilistischen Finetunings, zum anderen klingen auch von Menschen verfasste Artikel in diesem Sektor reichlich steril. Die Erfolge bei Thomson sind gut, die Programme haben bisher nie Unsinn geschrieben, daher soll die Rolle der schreibenden Software ausgeweitet werden.

Ich kann mir relativ leicht Gebiete vorstellen, die in naher Zukunft von Robotern beschrieben werden. Bundesliga-Ergebnisse in Echtzeit in den Computer, der die enthusiastischsten Sportreporter-Slogans der letzten 2000 Jahre gespeichert hat, und schon füllen wir Tausende von Seiten Fußball-Zeitungen.

Was tun, wenn man zur schreibenden Zunft gehört? Ich mache mir das ebenso wenig Sorgen wie bei den Ergebnissen der aktuellen Gehirnforschung, die unseren Geist angeblich „entzaubern". Nein, so lernen wir, was uns als Menschen wirklich ausmacht und bei was wir es uns bisher nur eingebildet haben. Wir werden nur noch schreiben, worin wir Menschen unschlagbar gut sind.

Ghostwriter werden auch eine schwere Zeit haben. Denn die raren Gehirnwindungen einiger Zeitgenossen in Stories zu verwandeln, sollte für die schreibenden Blechkameraden nicht allzu schwierig sein. Ich will für mich Bender aus „Futurama" als Ghostwriter!

Artikel Financial Times

2 Meinungen

  1. Geiz ist eben Geil…..nicht nur beim einkaufen….oder es heute heist …shoppen..aber die Zukunft wird es leider zeigen….niemand wird mehr gebraucht werden….Bei der SZ gibt es nicht einmal mehr feste Fotografen…die werden auch zu träge wenn es um gute Storys geht, genau wie die Journalisten….Freier Markt für Infos heist das Ziel……Deshalb haben wir schon vor Jahren umgestellt und beliefern…mit immer grösseren Erfolg auf Honorar versteht sich die Agenturen….die dann die Aufarbeitung für Ihre Beiträge mit unseren In Put spicken..Das läuft sehrm sehr gut…und wer will schon eine eigene Meinung hören….Dann hätten wir ja Demokratie…BMG S(C)le

  2. Hi StephanVielen Dank für Deinen interessanten Beitrag. Ich hatte unlängst eine interessante Diskussion mit meinem Cousin (er ist Chefredaktor einer angesehenen Schweizer Zeitschrift).Wir gerieten daher in die Diskussion, weil wir ihm drei Texte, die er mir zur Verfügung stellte, maßenspektrometrisch (ja, Du hast richtig gelesen) analysiert haben.Wir sind also in der Lage die dem Text immanente Oszillation genau zu messen und im Hinblick auf folgende Parameter zu bestimmen:- Das Entwicklungspotenzial:Hier geht es um die produktive Leistung, welche durch einen Text erzeugt wird. Verfügt er demnach über genügend quantitativen Inhalt, um langfristig (bspw. als Hypertext im Web) erfolgreich zu wirken. – Die Variationsbreite:Dabei wird die Fähigkeit zur Interaktivität gemessen. Wie gestaltet sich die Unterschiedlichkeit und Ergiebigkeit, um über einen Text zahlreiche Anknüpfungspunkte zu finden.- Die Ertragskraft:Somit die spezifische Wertschöpfung, dies sich anhand der (an den Text angekoppelten) Prozesskette umsetzen lässt. Wie profitabel ist die Performance des untersuchten Textes.Das heisst, klassische Texte und insbesondere Hypertextkonstrukte (wie sie in Bezug zu wirksamen WebContents zu immer mehr Bedeutung gelangen), werden in Zukunft einerseits ein industriell herstellbares Produkt und andererseits wieder vermehrt zum künstlerischen Akt.Während letztere der freien Beurteilung unterliegen, werden industriell hergestellte Wissensprodukte, also jegliche Texte, nach Standarts der Produktionskette bewertbar.Unsere Anwendung, die wirklich rein physikalisch ist und nicht mehr anhand semantischer Ontologien durchgeführt wird, fördert diesen Prozess.Journalisten werden deshalb in absehbarer Zukunft zu Knowledge Engineers, die nicht länger nach Stundenhonorar, sondern nach geleisteten Informationseinheiten (sog. InfoUnits) entlöhnt werden.Das Problem, das dabei entsteht, ist die weltweite Konkurrenz. Man kauft, wie bei allen industriellen Prozessen üblich, bei demjenigen Supplier ein, der die beste Qualität und Quantität, am schnellsten und günstigsten liefert.Verständlich, dass dieses Szenario einen ‚alteingessenen‘ Journalisten, wie meinen Cousin, zutiefst beunruhigt. Aber letztlich geht es ja darum, den bereits fahrenden Zug nicht zu verpassen. Und die Zeichen sind allenthalben sichtbar.Herzlichst Felix

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