Babelfisch

Wenn ich gerade nicht so gut gelaunt bin und brauche was zum Lachen, werfe ich Übersetzungssoftware an und lasse mir einen beliebigen Text übersetzen. So etwas Lustiges wie das Ergebnis würde keinem Comedian einfallen. Umgekehrt ist das natürlich auch ein Eldorado für Autoren, die kreative Sprachwendungen benötigen. Ob Werbetexter die ganze Zeit Übersetzungssoftware als Quelle für neue Slogans verwenden?
Übersetzungssoftware ist also bisher für ernsthafte, professionelle Zwecke kaum zu verwenden. Trotzdem schwebt uns Zukunftssüchtigen der Babelfisch aus den Romanen von Douglas Adams immer als Wunschbild vor Augen. Ein Fisch, den man sich
ins Ohr steckt und der dann alle Sprachen der Galaxis übersetzt und einem die Übersetzung ins Ohr flüstert. Fische werfe ich zwar lieber auf den Grill, statt sie mir ins Ohr zu stecken, aber die Aussicht auf so ein Übersetzungstool, z.B. im Format eines MP3-Players, reizt mich. Ich bin früher auf Filmfestivals auch immer mit Vorliebe in Filme gegangen, bei denen ein Simultan-Dolmetscher im Kopfhörer übersetzte und man sonst auf das Lokalkolorit in der Sprache hören konnte.
Also wurde ich aufmerksam, als in The Economist über die neuen Entwicklungen im Bereich der Übersetzungssoftware berichtet wurde. Die Grundidee für verbesserte Softwareleistung ist, nicht mehr die Struktur und Grammatik einer Sprache in die Software hinein zu programmieren, sondern sie statistisch zu erfassen. Die Software „hört“ also einer Weile der Sprache zu und versucht sich selber aus Häufigkeiten und Struktur einen Reim zu machen.
Dies hat mehrere Vorteile: Die Software spricht dann tatsächlich eine Sprache, wie sie gesprochen wird und folgt nicht irgendwelchen esoterischen grammatikalischen Regeln, die in realen Sitationen nicht verwendet werden. So gesehen, ist die beste Art, Ihren zukünftigen Babelplayer zu trainieren, ihn vor den Fernseher zu legen. Außerdem kann durch den statistischen Ansatz auch eine Sprache gelernt werden, die wir nicht kennen, für die es keine Lehrbücher oder Übersetzungen gibt. Wie die Sprache der Delphine z.B., an der sich jetzt Forscher mit Übersetzungssoftware versuchen.
Ein solches Gerät hätte weitreichendere Folgen als Bequemlichkeit: Jeder könnte jeden Fernsehsender der Welt sehen, egal ob arabisch, chinesisch oder hindi und dadurch ein viel deutlicheres Gespür für die anderen Welten bekommen. Die lokalen Sprachen könnten ein Revival erleben, ohne länger eine vermeintliche Weltsprache zu benötigen.


Quelle: The Economist, 8. Juni 2006

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