Auch ’ne Periode

Wer heute von Periode spricht, der denkt nur noch an eine – an die biologische nämlich. Vor 100 Jahren aber wäre in erster Linie die Satzperiode gemeint gewesen – und die entsprechende Wissenschaft hieß folgerichtig und erstaunlicherweise Periodik. In ihr ging es um Satzmelodie, um Satzrhythmus und um das Steigen und Fallen der Tonhöhe im Satz. Um Sprachmusik folglich – und nicht um so außerordentlich fuuuchbaaaare Dinge wie Grammatik etwa. Heute noch, meine ich, wäre die Kenntnis sprachmelodischer Gesetze vielen Bloggern ganz nützlich: Wer besser klingt, wird nämlich auch öfter gelesen. Neudeutsch: So jemand hat mehr Traffic auf seiner Homepage.

Grob gefasst, kann man sagen, eine solide gebaute Satzperiode sollte erst steigen und dann fallen. Der Ton der Stimme hebt sich also zunächst:

"Wenn du noch einmal so mit den Türen ballerst …

Um dann, wenn der Hörer erwartungsfroh und gespannt auf dem höchsten Ton des Satzes verharrt, mit der Tür der Konklusion abschließend und tief unten in der Oktave ins Schloss zu fallen:

… dann ist mir das auch egal.".

Gourmets haben natürlich gleich gemerkt, dass jener Text, der zwischen dem Kursiven stand, dem gleichen Gesetz gehorchte, auch wenn er erheblich länger war. Weitere Feinheiten – dass man auch einen doppelten Kadenzfall an das Aufsteigen der ersten Takte anknüpfen kann – die sollen uns hier nicht groß beschäftigen. Zur Illustration – das klänge dann in etwa so:

"Wenn du noch einmal so mit den Türen ballerst … dann ist mir das auch egal. … Dann zieh' ich nämlich aus!"

Zum Periodenbau kommt oft noch "Vokalismus" hinzu – man unterscheidet dann zwischen den hellen "aufsteigenden" Vokalen und den dunklen absteigenden. Zu den ersteren zählen E, EI, Ä oder I, zu den letzteren A, O oder U: [aufsteigender Ast] "Ich geh jetzt in die KnEIpEEE, [absteigender Ast] da hab ich meine RUUUh'!". Insbesondere im Bereich des populären Sprachgebrauchs scheint der richtige Klang den Satzinhalt oft erst nach sich zu ziehen: dem Sprecher kollert dann das aus dem Mund, was die Satzmelodie gerade verlangt. Anders ausgedrückt: Denken und Sprechen stünden dann in einem eher lockeren Zusammenhang.

Mit den Regeln des Vokalismus und der Periodik lassen sich ganze Stilformen "nachbauen", zum Beispiel eine bestimmte Art vorstädtischen Frauengezeters, das sich gerade dadurch auszeichnet, dass es nur die aufsteigenden ersten Hälften der Periodik in Kombination mit hellen Vokalen verwendet:

Soll ich hiääh denn alles alleinEE machEEn …
Wiäää döss hiää wieda aussIIIeht, nEEEJ!
Kannssu doin'n Kroam nüch selba wechräumEEEn?

Das Erfreuliche daran: Wenn wir die Periodik bewusst nutzen, können wir prompt Gezeter, Gekeife und Schimpfbrabbeln nachahmen.

Denken wir uns dann noch die abfallenden Teile des kurzangebundenen Kommentars hinzu, den "Männe" griesgrämig beisteuern könnte, dann haben wir unseren ersten Dialog für das kleine Volkstheater zusammengepfriemelt:

Sie: "Soll ich hiääh denn alles alleinEE machEEn …"
Er: "Ja, ichja wOUhl kAUm, wAAA!"
Sie: "Wiäää döss hiää wieda aussIIIeht, nEEEJ!"
Er: "Dann woart doch nächsmoal nüch so lange, dU AAAlte KUUUH!"
Sie: "Kannsu doin'n Kroam nüch selba wechräumEEEn?
Er: "Joah, so weit komms nOUch!"

Wie man sieht, beherrschen die meisten Leute die Regeln der Periodik offenbar ganz von selbst. In deren Alltag ist richtig Musik drin.

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