Amerika sucht den Superstar

In meiner selbsternannten Tätigkeit als Kulturkritiker giere ich immer nach Büchern, TV-Sendungen, Ereignissen, die die Amerikaner zu definieren scheinen. Momentan ist American Idol eines meiner Lieblingsforschungsobjekte. Es gibt wohl einen deutschen Clon dieser Sendung, Deutschland sucht den Superstar genannt, die ich allerdings noch nie gesehen habe.

American Idol ist eine der meistgesehenen Shows des Fernsehsenders Fox. Die angehenden SängerInnen werden beurteilt von Randy Jackson, Paula Abdul und dem satirisch bissigen Briten Simon Cowell. Mich interessieren nun Fragen wie: warum ist diese Show so beliebt? Wonach entscheidet sich, wer gewinnt? In diesem Jahr sind zwei schwarze Sängerinnen die absoluten Favoriten, Melinda Doolittle und Lakisha. Melinda D. hat Erfahrungen als Background Sängerin, Lakisha singt seit ihrer Kindheit Gospel. Beide strahlen also im Gegensatz zu den anderen Mitstreitern eine gewisse Professionalität und Selbstbewusstsein auf der Bühne aus. Ausserdem sind sie den Zuschauern sympathisch, Lakisha, weil sie als alleinstehende Mutter den amerikansichen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär verwirklichen könnte (in ihrem Fall: von der Bankangestellten zur Popsängerin). Und Melinda, weil sie so bescheiden ist und wirklich ein netter Mensch zu sein scheint – so kommt sie jedenfalls rüber.

Im Durschnitt schauen sich 32 Millionen Zuschauer die Sendung an, ca. 28 Millionen rufen dann auch an, um ihrem Star ihre Stimme zu geben. Das ist ein Grund für die Popularität von Idol – der Zuschauer entscheidet mit seiner Stimme per Telefonwahl, Demokratie pur! Derjenige, der die wenigsten Stimmen bekommt, wird am nächsten Tag rausgeworfen. Der Erfolg der Sendung ruft natürlich Neider hervor oder sagen wir es so: es gibt Leute, die sich einen Spass daraus machen, die Show zu manipulieren. Dave Della Terza hat doch tatsächlich eine Website ins Leben gerufen, die die Leute auffordert, den schlechtesten Sänger zu wählen. Noch paradoxer finde ich, dass die Websitebesucher das auch noch mitmachen (http://votefortheworst.com/). Idol mutiert damit zur Farce. Deshalb ist der nicht mal mittelmässig begabte Sanjaya Malakar auch noch im Rennen. Man redet allerdings mehr über seine Frisur als über seine Darbietungen (Foto von Frank Micelotta, kopiert aus dem New York Times Artikel von Alessandra Stanley). Randy winkte bei der letzten Vorstellung nur noch ab mit den Worten „That song was almost unlistenable for me, man." Wer wählt ihn dennoch? Auf alle Fälle hat er alle Amerikaner indischer Herkunft hinter sich. Er wäre das erste Indian-American Idol … Und Sanjaya gefällt den jungen Teenagern (von 10 bis 14 Jahren schätze ich).

Simon Cowell, der für mich mit seinen zynischen Bemerkungen und den kleinen Wortgefechten mit Gastgeber Ryan Seacrest den Reiz der Show ausmacht, drohte schon: wenn Mr. Malakar gewinnt, komme ich nächstes Jahr nicht wieder.

Zahlen und Fakten aus folgenden New York Times Zeitungsartikeln „Television: on ‘Idol,' the South rises again and again" (25.3.07); „Howard Stern tries to kill ‚American Idol' with kindness for a weak link" (31.3.2007); „Voting Rights Drive ‚Idol,' Not the Abuse or the Hair" (4.4.2007)

2 Meinungen

  1. Sehr zu empfehlen ist auch der Prinzessinen Koffer aus der gleichen Reihe.

  2. Herrlich, jetzt endlich habe ich den Sachverhalt in der Tiefe begriffen 😉

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